Prozess:Meineid kostet Bürgermeister den Job

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Der Bürgermeister bestreitet den Meineid bis heute. Die Richter haben ihm nicht geglaubt. (Foto: dpa)

Der Bürgermeister des oberpfälzischen Rettenbach wird ohne Gurt geblitzt. Unter Eid behauptet er aber das Gegenteil und brockt sich damit mehrere Gerichtsverhandlungen ein. Am Ende geht es um seinen Bauchumfang, einen bösen Verdacht und seinen Job.

Von Wolfgang Wittl

Georg Griesbeck ist viel herumgekommen, was bayerische Justizgebäude angeht. Er kennt das Amtsgericht in Traunstein, das Verwaltungsgericht in Regensburg, nun wartet er in Sitzungssaal 1 des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes in München auf seine nächste Verhandlung. Es ist seine sechste in dieser Sache, auch sie wird für ihn kein gutes Ende nehmen. Das Gericht bleibt dabei: Der Bürgermeister von Rettenbach, einer kleinen Gemeinde an der Landkreisgrenze von Cham zu Regensburg, wird seines Amtes enthoben. Wegen eines Meineids, weil er behauptete, dass er als Beifahrer angegurtet gewesen sei. Es ging um 30 Euro Bußgeld.

Mit 25 Jahren zog Griesbeck in den Gemeinderat ein, sechs Jahre später wählten ihn die Rettenbacher erstmals zum Bürgermeister. Heute ist er 52, doch seine dritte Amtszeit hat ein jähes Ende gefunden. Wer die Homepage der gut 1700 Einwohner zählenden Gemeinde aufruft, findet unter seinem Namen den Zusatz: "derzeit verhindert". Am Mittwoch indes ist Georg Griesbeck sehr präsent: Er trägt ein kariertes Hemd unter der dunklen Trachtenjacke, ein mächtiger Bauch spannt sich über seine Hose. Auch das wird in der Verhandlung eine Rolle spielen.

Das Dilemma begann im Februar 2008: Griesbeck, der Bauhofleiter sowie eine Mitarbeiterin sind im oberbayerischen Inzell unterwegs, um sich über Anschaffungen für die Gemeinde zu informieren. Auf dem Rückweg geraten sie ins Visier einer Laserpistole. Durch die sechsfache Vergrößerung der Zieloptik erkennt der Polizist, dass der Fahrer (Bauhofleiter) und Beifahrer (Griesbeck) des VW-Busses nicht angeschnallt sind. Gegen den Bußgeldbescheid von 30 Euro legen der Bürgermeister und der Bauhofleiter Einspruch ein.

Eid gegen Eid

Vor dem Amtsgericht Traunstein beeidet der Polizist, dass die beiden vorne sitzenden Personen außerdem versucht hätten, sich schnell noch anzugurten. Griesbeck und seine Mitarbeiter bestreiten alle Vorwürfe, ebenfalls unter Eid. Der Bürgermeister behauptet bis heute, er sei damals angeschnallt gewesen. Das Gericht verurteilt ihn und den Bauhofleiter dennoch zur Zahlung des Bußgelds - und ein knappes Jahr später wegen Meineids zusätzlich zu sieben Monaten Haft auf Bewährung. Seine Erkenntnisse bezieht der Richter auch aus einem nachgestellten Ortstermin, als die Beschuldigten acht Mal mit dem mittlerweile verschrotteten Bus auf die Laserpistole zufahren müssen.

Erneut geht der Fall vor Gericht: Die drei Rettenbacher fühlen sich zu Unrecht verurteilt, die Staatsanwaltschaft fordert eine noch höhere Strafe. Griesbeck legt sogar ein 2500 Euro teures Gutachten vor, das beweisen soll, dass er wegen seiner Körperfülle gar nicht in der Lage gewesen sei, sich nachträglich so schnell anzugurten. Und doch nimmt er seine Berufung zurück, angeblich weil er fürchtet, eine noch höhere Strafe zu bekommen und so sein Amt zu riskieren. Er habe einen Schlussstrich ziehen wollen - und räumt den Meineid ein. Im Nachhinein ein entscheidender Fehler, sagt Griesbeck.

Denn als der Bürgermeister rechtskräftig verurteilt ist, tritt das Landratsamt Cham auf den Plan. Es schaltet aus dienstrechtlichen Gründen die Landesanwaltschaft ein - eine "Kann-Entscheidung", wie Griesbeck meint. Der Fall geht vor das Verwaltungsgericht Regensburg, das den Wahlbeamten schließlich seines Amtes enthebt. Im November 2012 erfolgt der Vollzug.

Ein Komplott der CSU

Seitdem bekommt Griesbeck keine Bezüge mehr, bislang etwa 50 000 Euro. Er kämpft daher nicht nur für sein Recht, wie er sagt, sondern auch für seine Versorgung im Ruhestand. Als Mitglied der Freien Wähler wähnt sich Griesbeck bis heute als Opfer des CSU-geführten Landratsamtes: "Wenn ich bei der CSU wäre, säße ich gar nicht hier", sagt er am Mittwoch.

Versuche seines Anwalts Matthias Ruckdäschel, dem Traunsteiner Meineid-Urteil "gravierende Mängel" anzuheften, finden vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof keine Berücksichtigung. Immerhin habe Griesbeck die Verurteilung wegen Meineids selbst akzeptiert. Auch seine gute Amtsführung reiche nicht aus, um die Schwere des Vergehens zu mindern.

Ob er als letztes Mittel Verfassungsbeschwerde einlegen wird, lässt Griesbeck noch offen. 95 Prozent der Rettenbacher stünden weiterhin hinter ihm, sagt er. Der CSU-Ortsvorsitzende Siegfried Dengler hat einen anderen Eindruck. Egal ob nun Meineid oder nicht: "Jeder langt sich an die Stirn - das alles wegen 30 Euro." Bei den Wahlen im März wird Griesbeck jetzt als Gemeinderat kandidieren. Als Bürgermeister darf er nicht mehr.

© SZ vom 06.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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