Prozess gegen Mollath:Zwei Gutachter, zwei Meinungen

Wiederaufnahmeverfahren Gustl Mollath

Gustl Mollath im Gerichtssaal des Landgerichts Regensburg

(Foto: dpa)

Der eine Psychiater konnte bei Gustl Mollath keinen Wahn erkennen - der andere sorgte mit seinem Gutachten dafür, dass der Angeklagte jahrelang in der geschlossenen Psychiatrie saß. Vor dem Landgericht Regensburg verwechselt er seine Unterlagen.

Von Ingrid Fuchs, Regensburg

  • Am zwölften Verhandlungstag im Wiederaufnahmeverfahren gegen Gustl Mollath sagen zwei Gutachter aus. Johann S. hat im Jahr 2007 ein Betreuungsgutachten erstellt, das dem Angeklagten keinen Wahn mehr attestierte.
  • Danach sagt Klaus L. als Zeuge aus. Er hat im Jahr 2006 jenes Gutachten erstellt, aufgrund dessen Mollath in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen wurde.
  • Die Stimmung zwischen Mollath und Anwalt Strate wirkt einen Tag nach dem Eklat im Gerichtssaal entspannt.

Gutachter sah Mollath nicht als betreuungsbedürftig an

Im Mollath-Prozess vor dem Landgericht Regensburg sagt der Gutachter Johann S. an diesem Donnerstag als erster Zeuge aus. Der 53-Jährige ist leitender Arzt in der Allgemeinpsychiatrie einer Klinik in Mainkofen. Er ist kein Forensiker, hat aber viel mit den Patienten in der geschlossenen Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses (BKH) Straubing zu tun - dort war auch Mollath im Jahr 2007 untergebracht.

Ein Jahr zuvor war sein Fall vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verhandelt worden. Die Vorwürfe: Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung. Das Gericht sprach Mollath damals wegen Schuldunfähigkeit frei, wies ihn stattdessen aber in die geschlossene Psychiatrie ein. Dort saß Mollath siebeneinhalb Jahre lang. Wegen juristischer Mängel wird sein Fall seit Anfang Juli neu aufgerollt.

Am zwölften Verhandlungstag erzählt der Zeuge Johann S. von seiner Begegnung mit dem Angeklagten im BKH Straubing. Mollath sollte damals nach dem Willen seiner Exfrau unter Betreuung gestellt werden. Doch der Psychiater kam zu dem Ergebnis, dass der Patient keine Betreuung brauche.

Keine "paranoide Symptomatik" erkennbar

Für das Betreuungsgutachten standen dem Arzt keine Strafakten zur Verfügung, nur eine Stellungnahme des Bezirksklinikums Bayreuth, in dem Mollath zuvor schon einmal untergebracht war. Darin sei von einer "paranoiden Symptomatik" die Rede gewesen, erzählt S., "das war aber nicht sehr ausführlich begründet".

Er habe sich damals in Straubing sehr lange mit Mollath unterhalten. Im Gegensatz zu seinen Kollegen gelang es ihm, Mollath zu einem persönlichen Gespräch zu überreden - indem er ihn einfach darum bat. "Mit Fremdauskünften geb' ich mich ungern zufrieden." S. tritt freundlich und offen auf im Gerichtssaal, drückt sich nicht in der Fachsprache eines Psychiaters aus, sondern erklärt anschaulich.

Sein Eindruck von Mollath sei damals ein ganz anderer gewesen als jener, der im Gutachten beschrieben worden war. Man konnte "am ehesten von einer Persönlichkeitsstörung mit querulatorischen Zügen" sprechen, erklärt S. dem Gericht. Mollath habe zu jener Zeit völlig geordnet gewirkt und schlüssig geantwortet, keine Spur von einer "formalen Denkstörung".

In dem Gespräch sei es vor allem um den Ehestreit des Ehepaars Mollaths gegangen, im Zentrum: wie sehr ihn die Schwarzgeldgeschäfte seiner früheren Frau belastet haben. Alle Vorwürfe habe Mollath vehement abgestritten, zugleich aber eingestanden, dass er sich gewehrt habe.

Zeuge: Mollath wirkt entspannter als damals

Die Befragung des Zeugen S. dauert nur kurz. Der Psychiater kann sich noch an viele Einzelheiten erinnern, wenn auch nicht mehr an alles. S. betont immer wieder, dass Mollath auf das Schwarzgeldthema fixiert war, sich vielleicht sogar darin "verrannt" habe. Wahnhaftigkeit konnte er nicht erkennen.

Dann stellt Mollath eine Frage. Es geht ihm darum, zu beweisen, dass er nicht alles als große Verschwörung wahrgenommen habe. Ob er denn jemals behauptet habe, dass alle Menschen mit einem Hypovereinsbank-Konto auch mit Schwarzgeldgeschäften zu tun hätten? "Nein", antwortet S. lachend, "das haben Sie nicht. So entspannt wie Sie heute sind, waren Sie damals aber nicht."

Gelächter im Gerichtssaal

Dann ist der zweite Gutachter dran. Er wirkt wie das Gegenteil des ersten Zeugen, bleibt sehr sachlich und kurz angebunden. Klaus L. hat im Jahr 2006 jenes Gutachten verfasst, auf dessen Basis das Gericht damals entschieden hat, Mollath in die geschlossene Psychiatrie einzuweisen. Es war die Grundlage für viele weitere Gutachten nach Aktenlage. L. hatte mit Mollath damals kein Explorationsgespräch geführt, seine Arbeit ist mittlerweile sehr umstritten.

Da der Leiter der Forensik im Bezirkskrankenhaus Bayreuth als Chefarzt gar nicht selbst mit Mollath gesprochen habe, liest er aus Dokumenten vor, die von Klinikmitarbeitern erstellt wurden. Mollath entbindet ihn dafür von seiner ärztlichen Schweigepflicht. Nach ein paar Minuten - der 61-Jährige liest gerade etwas von Halluzinationen vor - unterbricht Anwalt Gerhard Strate und fragt nach dem Sinn dieses Vortrags. Ein Psychiater, der vorliest, was andere zusammengetragen haben? "Das ist eine Verschriftung von Wahrnehmungen, wo man sich fragt, wer die Halluzinationen hat", beklagt Strate.

Da fällt dem Zeugen auf, dass er um ein paar Zeilen verrutscht ist und sowieso aus den falschen Unterlagen vorgelesen hat, sie sind für das Gericht gar nicht verwertbar. Gelächter und Kopfschütteln im Gerichtssaal. Auch Mollath lacht mit - und nimmt die Entbindung von der Schweigepflicht wieder zurück.

Notizen im Stakkato

Danach trägt L. aus seinen Notizen vor, die er sich bei der Verhandlung im Jahr 2006 gemacht hat. Er fügt seine bruchstückhaften Notizen zu Sätzen zusammen. Im Mittelpunkt steht für das Gericht die Frage, was er zu den Prügelvorwürfen von Mollaths Exfrau sagen kann.

Nachdem, was er zuvor schon gewusst und zusätzlich von den Zeugen damals gehört habe, "bin ich schon zu dem Bild gekommen, vielleicht salopp formuliert, dass Herr Mollath psychisch angeschlagen war und mit seiner Lebenssituation nur schlecht zurechtgekommen ist", sagt der 61-Jährige.

Keine Verstimmung nach Eklat

Nach dem Eklat am Vortag - Mollaths Anwälte wollten ihr Mandat niederlegen und sind nun Pflichtverteidiger - wirkt die Stimmung auf der Anklagebank so gewöhnlich wie an den bisherigen Verhandlungstagen: kühl und konzentriert. Mollath und sein Anwalt Gerhard Strate sitzen nebeneinander auf ihren Stühlen und verfolgen aufmerksam die Zeugenaussagen.

Der Angeklagte hat sich zurückgelehnt und hört einfach zu, an manchen Stellen nickt er zustimmend. Sein Verteidiger blättert in den Akten, macht sich hin und wieder Notizen. Das ändert sich erst, als der Zeuge Klaus L., Chefarzt in der Forensik in Bayreuth, auftritt. An manchen Stellen schütteln Mollath und Strate nun die Köpfe, lachen leise über eine Aussage oder flüstern sich etwas zu.

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