Prien am Chiemsee:"Freya" auf großer Fahrt

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Das Schiff aus dem Wickie-Film schippert nun täglich über den Chiemsee. Auch wenn es nicht optimal zur voralpenländischen Kulisse passt

Von Theresa Krinninger, Prien am Chiemsee

"Hoch, vor, runter und hau ruck", ruft Klaus Stöttner . Die Anweisungen des CSU-Landtagsabgeordneten kommen bei den Ruderern nur teilweise an. Die einen rudern vorwärts, die anderen rückwärts, das Boot bewegt sich kein Stück. In der sengenden Mittagshitze weht kein Lüftchen, die Schweißperlen stehen auf den Stirnen. Bei den Wikingern sah das einfacher aus. Aber 16 Tonnen lassen sich eben nicht so einfach in Gang setzen.

Freya soll auf dem Chiemsee ablegen, das Schiff aus dem Film "Wickie auf großer Fahrt". 2011 waren Wickie, dessen Vater Halvar und die anderen Wikinger aus dem Dorf Flake in Michael Bully Herbigs Film damit ins Abenteuer gestartet. Gedreht wurde am oberbayerischen Walchensee. Nun steht es an einem neuen Anlegesteg im Schramlbad in Prien für Rundfahrten bereit.

Etwa 40 Passagiere können vier Mal täglich in See stechen und gemeinsam rudern. Das Schiff hat zwar zum sicheren An- und Ablegen einen Motor, doch beim Navigieren, Steuern, Loten und Ankern können die Fahrgäste selbst anpacken. "Was eignet sich besser als ein Wikingerschiff für die Kinder", sagt Christina Pfaffinger vom Tourismusverband der Chiemseeregion. "Neuen Schwung" erhofft sie sich von Freya.

Statt der Wikinger aus dem Dorf Flake können Touristen mit dem Schiff aus Michael Bully Herbigs Film in See stechen. In den Chiemsee, um genau zu sein. Dort wurde ein eigener Steg für die "Freya" gebaut. (Foto: Claus Schunk)

Die Idee von einem Fahrgast-Wikingerschiff auf dem bayerischen Meer kam bei der Seen- und Schlösserverwaltung aber gar nicht gut an. Ein Wikingerschiff in der voralpenländischen Kulisse? Eher unpassend, sagten die Hüter des bayerischen Kulturguts. "Die möchten natürlich kein Walt Disney am Chiemsee", sagt Stöttner, der tourismuspolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion. Am Ende gaben sie nach. Schließlich habe sich der Chef und Wickie-Fan, Finanzminister Markus Söder, zu dessen Ressort die Schlösser- und Seenverwaltung gehört, für Freya stark gemacht, sagt Stöttner.

Peter Miesbeck, Teilhaber der Eventagentur Chiemsee Erlebnis, hat knapp 180 000 Euro in den Umbau der Filmkulisse in ein zugelassenes Fahrgastboot investiert, sagt er. Schon jetzt sei die Nachfrage groß, vor allem Firmen hätten sich schon bei ihm angemeldet. Miesbeck ist auch Chef des Lokschuppens in Rosenheim, in dem die Freya 2016 bei der Schau "Die Wikinger" stand. Das Schiff ist also gleichzeitig Unternehmensprofil.

Als Konkurrenz für die 13 Linien-Fahrgastschiffe am Chiemsee sieht sich Miesbeck nicht. "Wir fahren zwei Stunden lang auf dem See, legen an keiner Insel an." Auch Linienschiffbetreiber Michael Fessler sieht es locker. Eine U-Bahn könne man schließlich auch nicht mit einem Fiaker vergleichen, sagt er. Das Wikingerschiff sei ein ganz anderes Erlebnis - eher ein Gag. Der scheint ihm aber zu gefallen, er hat bereits das Steuer übernommen.

Jonas Hämmerle als Wickie. (Foto: Constantin Film Verleih GmbH)

Ein Partyboot soll die Freya laut Agenturchef Miesbeck nicht werden. Statt Musik wird es höchstens kräftige Hau-Ruck-Gesänge geben. Das Schiff steht auch für Geburtstags- oder Hochzeitstouren zur Verfügung. Sobald sie ein neues Segel bekommt, darf mit der Freya auch gesegelt werden. Erwachsene zahlen 25 Euro für die Fahrt, Kinder und Jugendliche von sieben bis 17 Jahren die Hälfte.

Das Boot hat sich mittlerweile ein paar Meter schräg nach vorne bewegt, die Ruderer wechseln. "Sollen wir nicht die Staatsmacht auch mal rudern lassen", sagt eine Passagierin. Klaus Stöttner legt die hellblaue Krawatte ab. Das Jackett bleibt angezogen. "Und pull", sagt der Abgeordnete. Tatsächlich funktioniert die Koordination nun etwas besser. Aber auch bei der zweiten Gruppe hält der Ehrgeiz nicht lange an. Nach gerade mal zehn Metern läuft der Elektromotor wieder.

"Wenn vier Mann richtig Gas geben, nimmt das Schiff ganz schön Fahrt auf", sagt Georg Riesch, Bürgermeister der Jachenau, der kleinsten selbständigen bayerischen Gemeinde. Er hat es selbst ausprobiert, als die Freya jahrelang in seiner Obhut am Walchensee lag. Dort lag das Schiff etwa drei Jahre mehr oder weniger brach, weil es keine Genehmigung für einen Fahrgastbetrieb gab. "Wir haben die Infrastruktur, die Segelklubs und Anlegestellen dafür gar nicht", sagt Riesch. Außerdem sei es wegen der angrenzenden Landschaftsschutzgebiete viel schwieriger gewesen, eine Genehmigung zu bekommen. Heute ist er froh, dass er das Schiff an den Chiemsee abgeben konnte. "Da waren ständig Leute raufgeklettert oder an die Ankerstelle geschwommen, um auf das Boot zu klettern."

Ganz unbeschädigt ist das Boot nicht weggekommen. An diesem Freitag erstrahlt es in neuem Glanz. Mehrere Monate lang wurde das 17 Meter lange und mehr als fünf Meter breite Schiff seetüchtig gemacht. Insgesamt ist wenig von der Ursprünglichkeit der Wikinger übrig geblieben, vielmehr dominieren die Klischees: Hörnerhelme und Met und natürlich der schlaue Wickie aus dem Kinderbuch des schwedischen Schriftstellers Runer Jonsson und den beiden deutschen Filmen. Den zweiten sahen 2011 mehr als eineinhalb Millionen Menschen. Obwohl der Film nicht annähernd so viele Zuschauer hatte wie sein Vorgänger "Wickie und die starken Männer", ist er dennoch ein Kassenschlager gewesen.

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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