Politischer Aschermittwoch:Streithansln und Pazifisten

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Noch geloben Horst Seehofer und seine CSU, die FDP schonen zu wollen. Doch auf dem Politischen Aschermittwoch in Passau gelten andere Regeln.

K. Stroh und M. Szymanski

Die Peschl-Terrasse in Passau reicht der FDP in diesem Jahr nicht mehr. Zu klein. 300 Leute schwitzten dort im vergangenen Jahr beim politischen Aschermittwoch.

Die FDP will auf dem Politischen Aschermittwoch mit der CSU abrechnen. Und Seehofer - wird er den Koalitionskrach entschärfen oder anfachen? (Foto: Foto: ddp)

"Eng ist gemütlich", sagte damals Gastredner Guido Westerwelle. Dieses Mal will es der FDP-Chef alles andere als gemütlich. Die FDP zieht aus dem kleinen Wirtshaus aus.

700 Besucher erwartet die Partei, die nun in der Bundesregierung ist. Da muss natürlich eine richtige Halle her: die Fraunhofer-Halle in Straubing. Und diesmal ist der FDP nicht gemütlich zumute, sie ist in Krawallstimmung.

Seit Westerwelle "spätrömische Dekadenz" ausgerechnet in der Debatte über die Ausgestaltung von Hartz IV ausgemacht hat, keifen sich Politiker von Union und FDP an. Kanzlerin Angela Merkel distanzierte sich sogar öffentlich von ihrem Vizekanzler.

Die FDP wird den politischen Aschermittwoch zur Abrechnung nutzen, so viel steht schon fest. "Das ist kein Kaffeeklatsch", sagt Bayerns FDP-Generalsekretärin Miriam Gruß. "Das wird eine politische Aussprache."

Es gibt einiges zu bereden. Bayerns FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil lässt schon einmal erkennen, dass niemand mehr geschont wird. Merkel müsse "endlich Führung beweisen und ihrem Laden sagen, wo es langgeht", fordert Zeil.

Auch Dobrindt verspricht "Klartext-Kundgebung"

Das sagt viel aus über die Stimmung, die auch bei den Liberalen in Bayern herrscht. "Wir finden es gut, wenn die FDP jetzt stärker Position bezieht", sagt Zeil über Westerwelles Konfliktkurs.

Auch Horst Seehofer und der CSU will Zeil am Mittwoch die Meinung sagen. "Die CSU hat sich eifrig daran beteiligt, den Koalitionsvertrag zu zerreden", sagt er. "Ich kann nur hoffen, dass sie das nicht weiter tut."

Seehofer würde derlei Vorwürfe natürlich entrüstet von sich weisen, doch wie er am Mittwoch 70 Kilometer donauabwärts darauf reagiert, ist die große Frage.

Klartext, klar, was sonst, verspricht CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt für die gerne als "informatorisch" deklarierte Veranstaltung seiner Partei in der Passauer Dreiländerhalle. "Klartext-Kundgebung" nennt er sie, oder auch "Fanmeile für Klartextpolitik".

"Der Gegner steht links"

Doch die Liberalen - im Bundestagswahlkampf vor sechs Monaten noch liebstes Attackenziel des CSU-Vorsitzenden - will man diesmal angeblich schonen. "Es ist nicht zu erwarten, dass wir die Auseinandersetzung mit dem Regierungspartner führen", ließ Dobrindt vergangene Woche wissen.

"Der Gegner steht links", gibt Hans-Peter Friedrich als Orientierung aus, als CSU-Landesgruppen-Chef so etwas wie der oberste Statthalter der CSU in der Bundespolitik. Doch bei Seehofer weiß man vorher nie, was er sagt.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wie Edmund Stoiber die Stimmung weiter anheizt und die Erwartung auf Seehofers Auftritt hochschraubt.

Passau ist nicht Berlin

Edmund Stoiber stößt mit seiner Frau Karin auf seinen Auftritt auf dem Politischen Aschermittwoch 2007 an. Doch er mischt sich weiter ein. Vor der Rede Seehofers 2010 fordert Stoiber "Zuspitzung, Emotion, Leidenschaft". Damit schraubt er die Erwartung auf verbale Attacken in Richtung Opposition und FDP in die Höhe. (Foto: Foto: AP)

Hat er ein Manuskript, legt er es gerne mal beiseite. Und dass er Westerwelles Dekadenz-Vergleich unerwähnt lässt, das erwarten nicht einmal die in der CSU, die die FDP in Passau eher geschont sehen wollen.

Die Reibereien mit den Liberalen - ob in der Steuer- oder der Gesundheitspolitik, beim Thema EU-Beitritt der Türkei oder beim Ärger mit den Vertriebenenverbänden - halten ja schon seit Wochen an. "Es gibt keinen Bedarf nach einem weiteren Höhepunkt", sagt Friedrich. In Berlin vielleicht nicht.

Die Taktik kennt man von der CSU. Während der Koalitionsverhandlungen und in den letzten Wochen des Jahres 2009 focht sie beispielsweise mindestens so vehement für Steuersenkungen wie die Liberalen. Doch als immer mehr Experten, Politiker und Bürger deren Sinn in Frage stellten angesichts tiefer Haushaltslöcher, entdeckte die CSU plötzlich den Begriff "machbar" und warb nur noch unter diesem Vorbehalt dafür.

Keine Rücksicht am Aschermittwoch

Die Liberalen standen plötzlich ganz alleine da als die, die mit ihren Forderungen überziehen. So könnte Seehofer auch am Mittwoch den Eindruck erwecken: in Straubing die Streithansln, in Passau die Pazifisten.

Doch der Aschermittwochs-Hausherr will keine Rücksicht nehmen auf solche taktischen Überlegungen. Der niederbayerische CSU-Bezirkschef Manfred Weber erwartet "CSU pur": Klare Worte zur eigenen Position, klare Grenzen gegen andere Parteien. "Das dürfen wir uns nicht ausreden lassen."

Die Finanzkrise, das Versagen des Großkapitals, soziale Gerechtigkeit - darüber soll Seehofer sprechen. Schwer möglich, die FDP dabei zu schonen.

Liberale erwarten viele Anhänger

Der politische Aschermittwoch lebt immer auch von der Stimmung in der Halle, die muss Seehofer befeuern. Gezänk ist immer gut dafür und erregt Aufmerksamkeit. FDP-Landesgeschäftsführer Martin Hagen geht davon aus, dass angesichts des Ärgers die Liberalen viel Zulauf erwarten. "Es werden wohl nochmal einen Tick mehr, als es ohnehin schon geworden wären."

In der Passauer Neuen Presse, wo sich am Aschermittwoch traditionell der CSU-Chef breit über die Lage der Welt auslässt, meldete sich am Wochenende schon mal der Vorvorgänger zu Wort: Edmund Stoiber.

Mit einem von manchen Parteifreunden als durchaus boshaft gewerteten Interview. "Zuspitzung, Emotion, Leidenschaft" verlangte Stoiber da und schwärmte von seinen eigenen Auftritten: ,,Eine Bombenstimmung war das, Glanzzeiten der CSU. Aber 2007 bin ich vom Spielfeld gegangen, jetzt sind andere dran."

So schraubt auch Stoiber noch einmal die Erwartungen hoch und prahlt: "Habe hier minutenlangen Beifall erlebt, zehn Minuten und länger." Daran soll sich Seehofer messen lassen. Der Parteichef steht unter Zugzwang, einen langweiligen Auftritt kann er sich nicht erlauben.

© SZ vom 16.2.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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