Politischer Aschermittwoch:Aschermittwochs-Inflation

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Es gab eine Zeit, in der war der Politische Aschermittwoch in Vilshofen einzigartig und unverwechselbar. Doch die Zeiten haben sich geändert.

Annette Ramelsberger

Es gab eine Zeit, da war der politische Aschermittwoch einmalig: ein großer handfester Diskurs zu Beginn der Fastenzeit, mit kernigen Politikern, die etwas zu sagen hatten. Entstanden aus einem Vieh- und Rossmarkt in der kleinen Stadt Vilshofen an der Donau. Der war der größte in ganz Niederbayern, 1500 Stück Vieh wechselten an einem Tag den Besitzer. Wenn die Bauern dann durchfroren hinaufstiegen in die Stadt, erwartete sie dort Bier, Käse und Politik. Kein Schnitzel, kein Schweinsbraten, auch keine Leberkässemmel. Schließlich war strenger Fasttag. Nur Käse war erlaubt oder Fisch.

Die Zeiten, in denen der politische Aschermittwoch in Vilshofen ein einzigartiges Ereignis waren, sind vorbei. (Foto: dpa)

Auf dem Stadtplatz von Vilshofen hatten die Viktualienhändler Standl aufgebaut. Dort säbelten sie den Käse von großen Laibern auf Butterbrotpapier, die Bauern nahmen ihr Käsepaket mit in die Wirtschaften. Dort erwarteten sie schon die schärfsten, launigsten Redner - in jedem Gasthaus ein anderer.

Die Bayernpartei hatte den Viehmarkt von Vilshofen für den politischen Auftritt entdeckt, nach dem Krieg folgte ihr die CSU nach, bald zog ein junger Redner alle Aufmerksamkeit auf sich: Franz Josef Strauß. Der sprach im legendären Wolferstetter-Keller - bis der in den 70er Jahren zu klein wurde und Strauß nach Passau auswich. Seitdem hält die CSU dort ihren Aschermittwoch ab - erst noch in der düsteren Nibelungenhalle, seit ein paar Jahren in einer öden Mehrzweckhalle. In Passau ist das Bauern-Ereignis von früher domestiziert und windschnittig gemacht worden. Und es hat seine Seele verloren.

Der Aschermittwoch ist nicht mehr unverwechselbar, er verbreitet sich inflationär: Die SPD lädt nach Vilshofen, die Bayernpartei auch. Die Freien Wähler rufen nach Deggendorf, die FDP nach Straubing, die Linken nach Jacking, die Grünen nach Landshut. Ganz abgesehen von den zig Veranstaltungen quer durch die Republik - bis hinauf ins vorpommersche Demmin, wo die Kanzlerin zu ihrem Aschermittwoch lädt. Der Aschermittwoch ist zur Landplage geworden: Jeder will einen haben, mal mit einfachsten, mal mit billigsten Mitteln. Hauptsache, man lässt es krachen.

Die Tradition jedoch ist weitgehend verloren gegangen. Den Viehmarkt gibt es längst nicht mehr, die Passauer Nibelungenhalle ist abgerissen und die Käsestandl auf dem Stadtplatz von Vilshofen - verschwunden, nicht mehr nötig. Die Leute halten sich nicht mehr ans Fastengebot. Das letzte Mal, dass das noch ernst genommen wurde, war in den 80er Jahren. Damals hatte CSU-Generalsekretär Edmund Stoiber Wurstsemmeln als Verpflegung in der Nibelungenhalle verboten.

© SZ vom 08.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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