Plädoyers:V-Mann habe Unrecht erfahren

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Nebenklage wirft LKA-Beamten versuchte Freiheitsberaubung vor

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Der Rechtsanwalt Alexander Schmidtgall begleitet die Geschichte des Mannes, der im Auftrag des Landeskriminalamts (LKA) die Rockergruppe "Bandidos" ausspioniert hat, seit fünf Jahren. Das Mandat für den V-Mann sei "nie lukrativ" gewesen, hat er nun in seinem Plädoyer als Vertreter der Nebenklage im LKA-Prozess gesagt. Was plausibel ist, bedenkt man, dass der Ex-Bandido und Ex-Spitzel, sein Mandant, auf eine Liste von mehr als einem Dutzend Vorstrafen zurückblickt und eine dauerhafte und legale Beschäftigung mitunter eher die Ausnahme als die Regel gewesen ist. Trotzdem habe er dieses Mandat übernommen, er habe sich "als Mensch und Jurist" in hohem Maße gefordert gesehen durch dieses. Er sei der Überzeugung, dass seinem Mandanten durch den Staat, namentlich das LKA, "massiv und zutiefst Unrecht geschehen" sei.

Ein Engel, sagt der Anwalt, sei sein Mandant gewiss nicht; allein das Vorstrafenregister zeuge ja von erheblicher krimineller Energie. Wie er aber vom LKA zunächst benutzt worden sei, als exzellente Quelle, um die Bandidos zu bespitzeln, und dann fallen gelassen wurde, das entsetze ihn. Ebenfalls als Mensch und Jurist. Schmidtgall greift zu drastischen Worten: "Man wollte ihn entsorgen wie Abfall." Er spielt an auf einen Drogenprozess vor dem Landgericht Würzburg, in dem auch LKA-Beamte ausgesagt hatten. Sein Mandant sei dort "wie ein Spinner" hingestellt worden, als einer, der Märchen über seine Tätigkeit als LKA-Spitzel in die Welt setzt und die Chuzpe hat, diese vor Gericht zu behaupten. Nie, sagt Schmidtgall, habe sein Mandant zuvor mit Drogen zu tun gehabt. Das habe sich erst als Spion bei den Bandidos geändert, wo er an solchen Deals habe teilnehmen müssen, um nicht aufzufliegen.

Zwar sei im Nachhinein nicht beweisbar, dass die mehrjährige Haftstrafe für seinen Mandanten geringer ausgefallen wäre, hätten die Beamten das Würzburger Gericht mit der ganzen Wahrheit bedient. Es liege aber auf der Hand. Für Schmidtgall waren die Aussagen der Beamten eine versuchte Freiheitsberaubung - ein Punkt, den die Staatsanwaltschaft zunächst nicht in der Anklageschrift gegen die sechs LKA-Männer stehen hatte, beim Schlussplädoyer aber ebenfalls aufgenommen hat. Zumindest für den Hauptangeklagten. Die Beamten hätten die Verantwortung für einen gehabt, der "für dieses Land sein Leib und Leben riskiert hat", sagt Schmidtgall. Diese Verantwortung hätten sie "mit Füßen getreten". Die ganze Geschichte klinge nach "großem Kino". Sei aber leider wahr.

Auch die Verteidigung hat am Dienstag mit den Plädoyers begonnen, sie werden wohl mehrere Verhandlungstage in Anspruch nehmen. Eine Richtung ist aber bereits erkennbar. Franz Heinz, Anwalt des sogenannten V-Mann-Führers, sagt, dass bei dem Einsatz des Spitzels vieles aus dem Ruder gelaufen sei. Im Nachhinein betrachtet sei dieser "eine Katastrophe" gewesen. Nur habe der Spitzel ein "doppeltes Spiel gespielt" mit dem LKA. Er habe es oft belogen. Bei bestimmten Vorgängen gebe es vier unterschiedliche Versionen. Man wisse nicht, ob der V-Mann-Führer den V-Mann geführt habe - oder ob es andersrum gewesen sei. Was mögliche Falschaussagen vor Gericht und eine versuchte Freiheitsberaubung betreffe: Was vor sechs Jahren exakt gesagt wurde, sei nicht mehr in notwendiger Präzision rekonstruierbar. Franz Heinz fordert einen Freispruch für seinen Mandanten.

© SZ vom 27.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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