Passau:Felsenfest

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Um 1960 war das Wirtshaus "Zur Fels'n" noch offen für Gäste, seit 1999 ist das vorbei. Heute ist das Haus in einem schlechten Zustand. (Foto: Archiv/oh)

Ein Verein um den früheren Generalkonservator Egon Greipl will in Passau ein altes Wirtshaus retten. Der Verkehr und das Hochwasser haben das Haus schwer leiden lassen. Das Projekt soll den ganzen Stadtteil aufwerten

Von Tobias Mayerhofer, Passau

Säumer, Fuhrleute, Händler, sie alle machten auf ihrem Weg nach Böhmen im Passauer Wirtshaus "Zur Fels'n" Halt. Sie kehrten ein zu Bier und Brotzeit, draußen plätscherte die Ilz. Später kamen Beamte, Studenten, Reisende. Von diesem Idyll ist 500 Jahre später nichts mehr übrig. Tonnenschwere Laster donnern über die zweispurige Straße. Grobe Risse im Mauerwerk, eingeschlagene Fenster; verwahrlost steht das einst schmucke Haus da, Gäste kommen längst keine mehr. Die praktische Lage an der Ausfallstraße hat sich über die Jahrhunderte zum Problem gewandelt. Um dieses historische Erbe trotzdem zu erhalten, haben Passauer Bürger einen Verein gegründet. Sie wollen das Wirtshaus restaurieren und damit ein Zeichen der Hoffnung setzen, für einen Stadtteil, der auszusterben droht.

Egon Johannes Greipl ist der Vorsitzende der "Felsenfreunde" und schon von Berufs wegen mit der Materie vertraut. Bis zu seiner Pensionierung war er Generalkonservator des Landesamts für Denkmalpflege, nun steht er in Janker, kariertem Hemd und tannengrüner Cordhose auf dem Bürgersteig gegenüber dem Haus. Er will es retten mit seinem Verein und es vor rücksichtlosen Bauherren schützen: "Investoren hätten das Gebäude stehen lassen und sobald es baufällig gewesen wäre, einen Neubau daraufgesetzt", sagt Greipl. Er muss laut sprechen, damit er im Verkehrslärm verstanden wird.

Wie alt die Gaststätte "Zur Fels'n" ist, kann nicht genau bestimmt werden, eine Kaufurkunde aus dem Jahr 1647 ist der erste gesicherte Beleg. Das Haus steht in der Passauer Ilzstadt, hinter dem Georgsberg. Über Donau und Ilz gelangt man aus der Altstadt rasch "Zur Fels'n", die ihren Namen von dem Granitfelsen hinter dem Haus hat. Es ist das älteste Wirtshaus Passaus. Das Haus steht seit 2012 leer, bis 1999 war Wirtshausbetrieb. Die letzte Besitzerin, eine stolze, immer adrett gekleidete Dame, versuchte mit roten Geranien auf dem Balkon den ehemals guten Ruf des Hauses zu wahren. Da die Frau keine Erben hatte, fiel das Haus nach ihrem Tod dem Freistaat zu. Waren die Zustände zu dieser Zeit schon schlecht, das Hochwasser 2013 setzte dem Haus zudem ordentlich zu. Nur der Dachstuhl war noch zu sehen, nachdem die Ilz, die direkt vor dem Haus entlang fließt, es überflutet hatte.

Fragt man Greipl, so ist das Hauptproblem jedoch nicht das Wasser, sondern der Verkehr. Jeden Tag fahren Hunderte Lastwagen auf ihrem Weg von Tschechien in Richtung Bayerischer Wald vorbei. Eine Umgehung wird seit Jahren diskutiert, passiert ist nichts. Nicht nur das Fundament des alten Hauses leidet darunter, "die Ilzstadt geht ein unter dem Verkehr", sagt Greipl. Junge Leute ziehen kaum noch hin. Die Rettung des Hauses sieht er auch als ein Symbol der Hoffnung für den Stadtteil.

Greipl deutet auf das Erdgeschoss: "Unten ist ein Saal für Feste oder Vereinstreffen für die Ilzstädter geplant. Präventivmaßnahmen zum Schutz gegen Hochwasser." Das Inventar im Erdgeschoss soll möglichst mobil sein, um es im Notfall schnell rausschaffen zu können. Im zweiten Stock ist eine Wohnung geplant, "vielleicht ein Sozialbau, auf jeden Fall etwas Bezahlbares, auch für den schmalen Geldbeutel". Der Clou steckt im Dachgeschoss: "Jede Installation wie beispielsweise Heizungstherme oder Stromkasten wird dort verbaut werden." Denn dort scheint es sicher zu sein, das Hochwasser 2013 hatte den Dachboden nicht erreicht.

Wer die Pläne nachvollziehen will, braucht momentan noch Fantasie. Der Boden im Haupthaus ist lehmig, die Wände aufgeschlagen. Es ähnelt einem Tatort, jede Kleinigkeit hat der Restaurator umkreist und mit Nummern und Zahlen versehen. Im rechten Anbau, dem ehemaligen Salettl, ist ein Kühllager im Granitfels. Im Lichtkegel von Greipls Taschenlampe werden die feuchten Felswände sichtbar. Trotz der warmen Temperaturen draußen kondensiert drinnen die Atemluft.

Greipl gründete den Verein "Felsenfreunde" 2015 mit Architekten, dem Heimatpfleger und einem Bürgermeister. Seit 2016 gehört die "Fels'n" ihnen, für 60 000 Euro kauften sie das Haus dem Freistaat ab. 900 000 Euro soll die Renovierung kosten, der Großteil könnte mit staatlichen Zuschüssen gedeckt werden. Die Gespräche über die Finanzierung laufen schon. Der Rest soll mit Spenden und eigenen Mitteln bezahlt werden. Läuft alles nach Plan, könnte das alte Wirtshaus nach Greipls Rechnung schon 2018 fertig sein.

Später steht Greipl mit einer Zigarette auf dem Balkon seiner Wohnung. Er wohnt in einem restauriertem Altbau, von seiner Bibliothek aus blickt man über die Dächer der Altstadt. Zehn Minuten Fußweg liegen zwischen seiner Wohnung und der "Fels'n". Eine persönliche Bindung an das Wirtshaus habe er nicht, sagt er. Aber an Passau. "Die Ilzstadt stirbt aus und das würde ich gern verhindern."

© SZ vom 21.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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