Nürnberg:Grabräuber vor Gericht

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Den historischen Rochusfriedhof in Nürnberg besuchen Kunstinteressierte, Touristen - und Diebe. (Foto: Dalibri/Wikipedia/CC BY-SA)
  • Im Oktober haben Grabräuber auf dem historischen Rochusfriedhof 35 Epithaphe von den Gräbern gebrochen.
  • Ein Schrotthändler kaufte einen Teil der geraubten Ware und wurde misstrauisch.
  • Zwei Männer stehen nun wegen Hehlerei und Betrugs vor Gericht. Der dritte Täter ist auf der Flucht.

Von Katja Auer, Nürnberg

Friedrich Staedtler war der erste seiner weltbekannten Familie, der mit Bleistiften sein Geld verdiente. Der Handwerker aus Nürnberg ist ein Vorfahre des Firmengründers und wurde auf dem Rochusfriedhof bestattet. Sein Grab zierte ein bronzener Bleistift. Auch viele andere Ruhestätten sind dort kunstvoll geschmückt. Wer etwas auf sich hielt unter den Nürnberger Patrizierfamilien, ließ sich ein aufwendiges Grabmal fertigen. Heute ist der Rochusfriedhof ein beliebtes Ziel für Kunstinteressierte und Touristen. Und für Grabräuber.

Im vergangenen Oktober stiegen zwei junge Männer in den Friedhof im Nürnberger Stadtteil Gostenhof ein und brachen 35 Epitaphe von den Gräbern. Auch den Bleistift von Friedrich Staedtler. Am Freitag musste sich einer von ihnen wegen Diebstahls, Sachbeschädigung und Störung der Totenruhe vor dem Landgericht Nürnberg verantworten. Der andere wird zwar von der Polizei gesucht, ist aber verschwunden. Er war nach der Festnahme zunächst wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Vielleicht ist er gar nicht mehr im Land. Die Diebe kamen aus Rumänien. Ein zweiter Mann saß trotzdem mit vor Gericht. Er ist wegen Hehlerei und Betrugs angeklagt, weil er den Dieben beim Verkauf ihrer Beute helfen wollte.

Wie viele insgesamt beteiligt waren, ist unklar

So steht es in der Anklageschrift, so hat es der 24-Jährige ausgesagt. Auch der wegen Diebstahls Angeklagte, ebenfalls 24 Jahre alt, hat zugegeben, dass er dabei war. Wer aber noch, das ist nicht klar. Eine Gutachterin war als Zeugin geladen, sie hatte DNA-Spuren an dem Diebesgut gesichert. Und zwar nicht nur von den beiden Angeklagten. Mehrere Spuren konnten Personen zugeordnet werden, die der Polizei bekannt sind. Aufzutreiben sind diese Männer aber offenbar nicht und der angeklagte Dieb will nicht sagen, wer noch dabei war. Sein Anwalt sagte nach der Verhandlung, dass er möglicherweise die Folgen fürchte. Mittäter könnten ihm Rache angedroht haben, wenn er vor Gericht aussage. Es könne eine ganze Bande auf dem Friedhof gewesen sein.

Zimperlich waren die Männer nicht, brutal brachen sie die Grabplatten und auch Blumenschalen heraus, die mit einem Spezialkleber fest auf die Sandsteinplatten geklebt waren. Ein Dutzend Gräber wurde dabei beschädigt. Es sind kunstvolle Arbeiten unter dem Diebesgut, die Gräber stehen unter Denkmalschutz. Peter Vischer der Ältere ist dort begraben und der Komponist Johann Pachelbel. Der Rochusfriedhof ist alt, er entstand im 16. Jahrhundert nach einer Pestepidemie und die Grabkapelle wurde dem Pestheiligen St. Rochus geweiht. Auf 50 000 Euro schätzte die Friedhofsverwaltung den Schaden. Die Epitaphe zu restaurieren, nachzubilden und wieder anzubringen würde gar eine halbe Million Euro kosten.

Wie der Mittelsmann aufflog

Den Dieben ging es freilich nicht um die Kunst. Sie wollten die Epitaphe aus Kupfer und Bronze an einen Metallhändler verkaufen. Der Mittelsmann, den die Männer angeworben hatten, bot einem Nürnberger Unternehmer zum Kilopreis von 2,20 Euro ein paar Messingstücke an. Und den Bleistift von Friedrich Staedtler. Der Händler kaufte, 66 Euro zahlte er dem jungen Mann für die Stücke. Als der jedoch tags darauf gleich wieder vorbeikam und diesmal drei große Grabplatten loswerden wollte, wurde der Schrotthändler misstrauisch.

Er hatte inzwischen von dem Diebstahl gehört und auch den Bleistift wiedererkannt, der in den Medien beschrieben worden war. Er meldete sich bei der Polizei, die den Dieben wenig später auf die Spur kam. Die sitzen seit Oktober in Untersuchungshaft. Die Epitaphe sind allerdings nicht alle wieder aufgetaucht. Ein paar wurden in einem Waldstück gefunden, daneben Werkzeug, das die Täter wohl zum Abmontieren verwendeten. Einige waren beschädigt und immer noch fehlen wertvolle Kunstwerke. Der Prozess wird am 3. August fortgesetzt. Dann soll ein Urteil fallen.

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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