NS-Architektur:Hohler Pomp

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Der "Goldene Saal" im Inneren der Zeppelintribüne gilt als einziges Bauwerk von Albert Speer, das nicht nur als Torso erhalten ist. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die Stadt Nürnberg schätzt die Kosten für die Sanierung der Zeppelintribüne auf 73 Millionen Euro. Der NS-Bau soll gesichert werden, aber nicht aufgehübscht

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

In der Größenordnung kursierte die Ziffer schon seit Jahren. Jetzt aber nennt die Stadt Nürnberg erstmals eine konkrete Zahl: Die Instandsetzung der NS-Zeppelintribüne samt Wallanlage soll 73 Millionen Euro kosten. Für Daniel Ulrich, Nürnbergs Baureferenten, ist das "eine eher angenehme Überraschung". Angesichts der Beschädigungen der Natursteine und des seit Jahrzehnten eindringenden Regenwassers hatten viele mit noch höheren Kosten gerechnet. Dabei gehe es nur darum, das betont Ulrich, dafür zu sorgen, "mit möglichst wenigen Eingriffen das Gebäude so sicher zu machen, dass es nicht zusammenkracht". Und dabei nichts aufzuhübschen. "Diese Tribüne war ein schlechtes Produkt", sagt der Referent, "das soll man auch weiterhin sehen."

Einbezogen ins Konzept ist auch der "Goldene Saal", in dem Heinrich Breloer Passagen der ARD-Produktion "Speer und Er" spielen ließ. Betreten durften Besucher den Saal lange Zeit kaum noch, herabstürzender Steine wegen. Das soll sich ändern. Der Saal, im Inneren der Zeppelintribüne gelegen, gilt nicht nur als einziges Bauwerk des NS-Architekten Albert Speer, das nicht nur als Torso erhalten ist. Mit dem Saal begann in den Achtzigerjahren auch ein Stück Nachkriegsgeschichte: Hier zeigte die Stadt Nürnberg nach Jahrzehnten des Verdrängens erstmals die Schau "Faszination und Gewalt". So schonungslos hatte sich bis dahin wohl keine andere Stadt ihrer NS-Geschichte gestellt.

In dem Saal bekommen Besucher einen Eindruck vom hohlen Pomp der Diktatur. In zehn Metern Höhe schimmert ein golden eingefärbtes Mosaik, das sich zu einem Hakenkreuz-Mäander zusammenfügt. Bis auf eine Feuerschale ist der Raum leer, die Akustik ist gespenstisch. Aber wie die große Verführungsmaschinerie von Nürnberg funktionierte, kann man in dem Saal vielleicht am besten zeigen: Es ist eben kein Gold oben an der Decke, es sind angestrichene Steinchen. Und auch die Mär, dass Hitler sich hier, nebst sekttrinkenden NS-Bonzen, auf Parteitagsauftritte einstimmte, stimmt nicht. Um seine Verbindung zum Parteitagsvolk vorzuführen, zog Hitler es vor, auf der den Jublern zugewandten Seite der Tribüne vorzufahren, um dort die Rednerkanzel zu erklimmen.

Insofern ist der Saal exemplarische Speer-Architektur: pompös, kalt, ein hohler Raum. Das will die Stadt dort künftig zeigen, geplant ist eine dauerhafte Präsentation. "Wir wollen den Saal entmystifizieren", sagt Kulturreferentin Julia Lehner.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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