Neuer OB von Erlangen:Der Acht-Punkte-Mann

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Geschafft: Dass er bei der Stichwahl zum Erlanger OB fulminante 63,7 Prozent erreichte, überraschte Florian Janik von der SPD irgendwie schon. (Foto: SPD)

Florian Janik, jüngster Oberbürgermeister einer bayerischen Großstadt und CSU-Bezwinger, erlebt den Alltag härter als gedacht. Doch der Sozialdemokrat will bei großen Themen nicht kneifen - so, wie er es den Erlangern zugesagt hat.

Von Katja Auer, Erlangen

Am Montagmorgen hat Florian Janik noch Lotta und Max in die Kinderkrippe gebracht, abholen wird er sie wohl nicht können. Aber einmal in der Woche will er um 18 Uhr daheim sein und ein Wochenende im Monat gehört ganz der Familie. "Das ist härter als gedacht", sagt Florian Janik, der seit vier Monaten Oberbürgermeister von Erlangen ist, der jüngste einer bayerischen Großstadt. "OB-Sein kann man ja vorher nicht ausprobieren", sagt der 34-Jährige, aber er findet, dass schon alles ganz gut läuft. Auch mit der Familie. Er hatte sich vorgenommen, sie nicht einfach in den Terminplan zu quetschen.

Es war eine Sensation im März, als der junge Sozialdemokrat den altgedienten CSU-Oberbürgermeister Siegfried Balleis erst mit einem überraschend knappen Ergebnis ins Wanken und in der Stichwahl mit fulminanten 63,7 Prozent tatsächlich zu Fall brachte. Nach 18 Jahren und zwei erfolgreichen Wiederwahlen. Damit hatte Balleis nicht gerechnet. Und Janik eigentlich auch nicht. Wenngleich er schon vorher von der Wechselstimmung sprach, die Balleis nicht gespürt haben will.

Kein Politk-Neuling

Janik ist kein Frischling in der Politik, er saß zwölf Jahre für die SPD im Stadtrat, sechs davon als Fraktionsvorsitzender. Während die CSU für "keine Experimente" warb, zog Janik von Haustür zu Haustür und stellte sich den Erlangern als freundlich-entschlossener Zuhörer vor, der die Bürger mehr einbinden wolle in die Stadtpolitik. So steht es im Acht-Punkte-Plan des Sozialwissenschaftlers für seine ersten 100 Tage, die nun schon eine Weile vorbei sind. Bürgerversammlungen sollen interaktiver werden und die Stadtverwaltung besser auf Vorschläge reagieren können. Das ist der neue Stil, mit dem er für den Wechsel warb. Seine Bürgersprechstunde kündigt er auch auf Facebook an.

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Damit hat Florian Janik selbst nicht gerechnet: Der 34-jährige Sozialdemokrat tritt bei der Stichwahl in Erlangen gegen den langjährigen CSU-Oberbürgermeister Siegfried Balleis an. Und seine Chancen stehen gut.

Von Katja Auer

Janik hat aber auch größere Kaliber auf seiner Agenda. Die Stadt-Umland-Bahn beispielsweise, das seit Jahrzehnten diskutierte Großprojekt, das Erlangen und Nürnberg besser verbinden und Pendler auf der Schiene nach Herzogenaurach bringen soll. Balleis war kein großer Freund der teuren Bahn, hatte sich aber in seinem letzten Amtsjahr doch die Zustimmung abringen lassen, da damit auch der Siemens-Campus angeschlossen werden könnte. Jenes Gelände im Süden der Stadt, auf dem das Unternehmen eine neue Firmenzentrale bauen will. Bahn-Befürworter Janik obliegt es nun, mit dem Landkreis Erlangen-Höchstadt und der Stadt Nürnberg einen Zweckverband zu gründen und die Planungen voranzutreiben. Einen Mitstreiter hat er in dem Erlanger und Innenminister Joachim Herrmann, der wie Balleis der CSU angehört, aber schon früh für die Bahn warb und dafür Geld vom Freistaat versprach.

Den Siemens-Campus hat Janik zur Chefsache erklärt und dabei wiederum einen umfassenden Bürgerdialog versprochen. Den Wohnungsmangel in der Stadt will er mit Nachverdichtung lindern und dadurch, dass Hausbesitzer unbürokratisch ihre Dachgeschosse ausbauen können. Und schließlich will er den Erlangen-Pass einführen, eine Rabatt-Karte für Menschen mit geringem Einkommen. Alles Pläne, mit denen Janik "sehr zufrieden" ist, auch wenn das meiste erst von jetzt an, wenn die Haushaltsberatungen losgehen, tatsächlich umgesetzt wird.

Kritik aus der Opposition

Was die CSU genüsslich kritisiert. Die ist in Erlangen jetzt in der Opposition, obwohl sie gerne mitregiert hätte. Kurz vor der Wahl machte Balleis sogar das Angebot einer großen Koalition, was recht verzweifelt wirkte. Janik blieb beim rot-gelb-grünen Ampel-Bündnis mit FDP und Grünen, kündigte aber an, alle Fraktionen einzubinden. Das ließe sich noch verbessern, findet die CSU-Fraktionsvorsitzende Birgitt Aßmus, die Janik vorwirft, keine Visionen zu haben. "Er hat sich in ein wohl bestelltes Nest setzen können", sagt sie und mit seinem Acht-Punkte-Plan habe er den Mund recht voll genommen. Tatsächlich sei noch nichts passiert außer "Personalpolitik nach Parteibuch". Zwei Mitarbeiter hatte Janik nach der Wahl ausgetauscht, die persönliche Referentin von Balleis und den Leiter des Presseamtes, der nun bei der Volkshochschule arbeitet. Damit hat sich Janik zwei Vertraute an zwei Schlüsselstellen geholt, was nicht unüblich ist. Beide sind SPD-Mitglieder. Unter Balleis hätte es das nicht gegeben, sagt Aßmus.

Viel mehr ist noch nicht gestritten worden in der Stadt, die tatsächlich gut da steht. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Wirtschaft floriert. Siemens und die Universität machen Erlangen attraktiv für gut ausgebildete Arbeitnehmer und deren Familien. Es muss also doch auch an Balleis gelegen haben, der zeitweise amtsmüde wirkte und lieber Sparkassenpräsident werden wollte, dass jetzt ein SPD-Mann regiert. Der findet nur freundliche Worte für seinen Vorgänger. Sehr korrekt und sehr fair habe Balleis den Übergang gehandelt, sagt Janik. Und jetzt will er erst mal eine ganze Weile bleiben.

© SZ vom 02.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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