Murnau:Mann mit Spürsinn

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Auf der Spur: Manuel Brückl ist gelernter Kameramann, doch seine große Leidenschaft gehört der Geheimnis- und Schatzsuche. (Foto: Manfred Neubauer)

Das große Talent von Manuel Brückl ist, Dinge zu finden. Damit hat er schon seine Eltern in den Wahnsinn getrieben. Nun verdient er als professioneller Geheimnisjäger und Schatzsucher Geld

Von Markus Wolf, Murnau

Plötzlich bremst Manuel Brückl, der Gurt schneidet in den Oberkörper des 48-Jährigen. Er legt den Rückwärtsgang ein, dreht den Kopf nach hinten und drückt aufs Gas. "Das muss ich mir jetzt doch mal anschauen", murmelt er. Mitten in der Pampa zwischen Murnau und Eschenlohe rast sein Auto rückwärts über die schmale Straße. Bei einem Strauch, der etwa 20 Meter von der Straße entfernt ist, schimmert etwas golden auf der Wiese. Brückl springt aus dem Auto, watet durch das nasse Gras hin zu dem glänzenden Ding. Etwas enttäuscht bleibt er stehen: nur eine Plastikschale, kein Schatz dieses Mal. Der Frust verfliegt jedoch schnell, als er zurück in sein Büro in Murnau fährt. "Ich kann bei so was nicht anders, da kommt bei mir der Schatzsucher raus", sagt er und grinst.

Manuel Brückl ist Geheimnisjäger für das X-Team, einer Gruppe von Forschern, die sich mit der Aufklärung von Rätseln beschäftigen. Schon in seiner Kindheit wühlte Brückl in der Erde auf der Suche nach Schätzen. "Meinen ersten Metalldetektor habe ich mir mit elf Jahren gekauft - erspart vom eigenen Taschengeld", erzählt Brückl. Mit 16 veröffentlichte er seine ersten Geschichten über Schatzsuche. In seinem Beruf ging er zunächst eine andere Richtung: Er absolvierte eine Ausbildung zum Kunstschmied. Sein Ding war das aber nicht, wie er erzählt. "Ich habe dann einfach mal das Telefonbuch aufgeschlagen unter F wie Filmproduktion und angerufen", erzählt Brückl. Er machte eine Ausbildung zum Kameramann und arbeitete später als Filmemacher. Sein Geld verdient er auch heute noch als Filmer: im Winter hauptsächlich mit Skisportfilmen. Im Sommer kommt das Einkommen aus verschiedenen Quellen. Eine davon ist die Geheimnisjagd.

Im Jahr 2001 gründete er mit Menschen, die seinen Forscherdrang teilen, das X-Team, Geheimnisjäger. "Verloren, verschollen, ungelöst" ist das Motto der Gruppe. Leute aus ganz Deutschland arbeiten mehr oder weniger regelmäßig mit. Der harte Kern besteht allerdings aus nur zwölf Experten: unter anderem Historiker, Kriminalisten, Archivare. Gemeinsam ist den Teammitgliedern, dass sie ein "gesteigertes Wahrnehmungsvermögen" haben, wie Brückl sagt. Er selbst habe zum Beispiel ein Talent, Dinge zu finden. Schon in seiner Kindheit habe er seine Eltern regelmäßig in den Wahnsinn getrieben, weil er Münzen, Stahlhelme und sogar Tresore gefunden habe. Seine Kollegen im Team hätten andere Talente. Einer könne Steine auf den ersten Blick einordnen, ein anderer könne Hohlräume unter der Erde erspüren. Jeder hat seine Aufgabe bei der Geheimnisjagd.

Doch Schatzsuche heißt für die Geheimnisjäger nicht, am Wochenende mit dem Metalldetektor rostige Hufeisen zu suchen. Wissenschaftlich, seriös und ohne Esoterik arbeite die Gruppe, sagt Brückl: "Mit dem Pendel über Landkarten schwingen ist bei uns verboten." Und der Metalldetektor ist keineswegs das Hauptinstrument. Das sei nur ein Klischee, stellt Brückl klar.

Drei Bereiche hat das Team: Kommerziell arbeiten die Medienproduktion, in der das Team Dokumentationen über die Schatzsuche dreht, und die Detektei. Im Auftrag von Kunden suchen sie verlorene Vermögen, Schätze oder Dokumente. In der dritten Abteilung, dem Forscherteam, arbeiten sie auch mal ehrenamtlich "für ein Würstl und ein Bier". Zum Beispiel, wenn der Ehering verschwunden ist. Die Familie suchte den Ring tagelang, Brückl fand ihn nach drei Minuten, wie er erzählt.

Nicht immer verläuft die Suche so erfolgreich, wie der Fall einer Schatzkarte aus einem alten Ausweis der Wehrmacht zeigt. Brückl hievt einen Karton auf den Glastisch in seinem Büro und zieht eine dicke Akte heraus. Der Ordner platzt förmlich von den Dokumenten, die er hier gesammelt hat: Zeitungsartikel, Dias, Urkunden - die Ergebnisse aus drei Jahren Recherche. Manuel Brückl erzählt, wie er an den Fall kam: Ein Erbe fand im Keller den alten Wehrmachtsausweis seines Großvaters, aus dem ein Stück Löschpapier mit der Schatzkarte herausfiel. Zunächst versuchte er selbst, den Schatz zu finden. Jedoch ohne Erfolg. Dann kam er zu Brückl. "Wo das ungefähr ist, kann jeder in zehn Minuten rausfinden", sagt Brückl, "aber die Feinarbeit ist knifflig."

Im September 2010 fängt Brückl mit der Analyse an. Schnell ist klar: Laut Karte sind in dem Versteck mehr als 50 Kilogramm Gold, außerdem Pässe und Tausende Reichsmark. Es ist ein alter Schatz der Nazis, die sich bei ihrer Flucht absichern wollten. Brückl macht einen Deal mit dem Erben: Wenn er den Schatz findet, bekommt er einen Teil davon. Brückl beginnt mit seiner üblichen Recherchearbeit: Papier- sowie Schriftanalyse, Geheimtinte suchen und sogar eine Mikropunktanalyse. Dabei sucht er das Dokument nach einem Punkt ab, in dem eine mikroskopisch verkleinerte Karte zu finden ist. Die Ordner füllen sich mit zahlreichen Rechercheergebnissen. Immer wieder packt er Metalldetektor, Helm und Seil ein und zieht mit dem Team in die Berge. Schließlich finden sie das Versteck, nach drei Jahren. Quadratmeter für Quadratmeter suchen sie die Felsnische ab, in der sie den Schatz vermuten. Der Metalldetektor schwirrt über den Boden. Nur schlägt er keinen Alarm und das Team findet: nichts.

Brückl rauft sich die Haare und seufzt. Mit so viel Gold, da hätte er ausgesorgt. "Wenn ich wenigstens eine leere Kiste gefunden hätte, dann könnte ich das abschließen", sagt er. Aufgegeben hat er noch nicht, das kommt für ihn nicht infrage. Denn Schatzsuche ist seine Leidenschaft.

Oft lohnt es sich: Immer wieder findet das X-Team im Auftrag von Erben verstecktes Geld, verschwundene Gemälde oder es kann kuriose Funde identifizieren, erzählt Brückl. Misserfolge und Rückschläge gehören bei der Schatzsuche immer wieder dazu. Doch Manuel Brückl hat gelernt, damit umzugehen. Seine Leidenschaft lässt er sich deshalb auch nicht nehmen: "Jeder Mensch träumt ja davon, mal einen Schatz zu finden."

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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