Mitten in Bayern:Die typisch bayerische Küche ist deftig und derb, oder?

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Viel Fleisch, viel Knödel: Das bayerische Essen gilt als derb und fettig. (Foto: N/A)

Weit gefehlt, meinen Experten aus dem Freistaat. Denn Bayern ist das Land der 100 Genussorte.

Kolumne von Johann Osel

Der Norddeutsche oder Preuße ist zuweilen ebenso erstaunt wie abgestoßen, wenn es um bayerische Esstraditionen geht. "Im Mittelstand und bei den einfachen Leuten ißt man überaus viel und dazu noch derbe Speisen", stellte Friedrich Nicolai, Literat der Berliner Aufklärung, im 1781 erschienenen Reisebuch "Unter Bayern und Schwaben" fest.

Die "üblichen Knödel" und Mehlspeisen wie Dampfnudeln seien aber "nichts für einen niedersächsischen Gaumen", vielmehr wären den Bayern mal Kartoffeln zu empfehlen. Er sehe hier Speisen, "die zusammen mit dem dicken Bier bestimmt nicht wenig zur Dummheit und dem phlegmatischen Wesen des einfachen Mannes in Bayern beitragen". Oha!

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Speziell auf den Knödel freilich wurden in dieser Kolumne bereits - und zu Recht - Lobeshymnen verfasst, vor allem auf den Semmelknödel mit seiner Ästhetik der Rundheit und seiner tragenden Rolle im harmonischen Zusammenspiel mit der Soße. Den Knödel-Kult auf die Spitze treibt klar das niederbayerische Deggendorf. Laut Legende haben die Bürger im Mittelalter knödelwerfend Belagerer in die Flucht geschlagen; obwohl das nur erfunden ist, zeugt in der Altstadt die Brunnenfigur einer Knödelwerferin davon und das Stadtmarketing hat immense Freude an dieser Story.

Ein echtes Knödelweib hat nun neulich feierlich Knödel, deftige wie süße, in der Stadt verteilt. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hatte zuvor 100 bayerische Genussorte prämiert, anlässlich 100 Jahre Freistaat - und die Knödelstadt ist dabei. "Jetzt wollen wir Zug um Zug das Thema Knödel ausbauen", kündigte OB Christian Moser an. Was da wohl noch kommt?

Die These von den ausschließlich knödelfressenden Bayern stimmt aber nicht, das zeigt die Liste der Genussorte. Nur einige Beispiele: Dutzende fränkische Gemeinden mit Karpfen, Bauernbrot, Bier und Meerrettich. Prien am Chiemsee, welcher mehr als 20 Fischarten bietet, zu verspeisen als Steckerlfisch oder als Forellenfilet in Mandelhülle. Immenstadt im Allgäu mit Bergkäse und Emmentaler, auch kredenzt in kräftigen Kässpatzen. Oder Murnau am Staffelsee, wo heimische Weideochsen und Rinder etwa als feines Filet an Pastinakencreme und Spargel daherkommen. Da müsste sogar für den niedersächsischen Gaumen etwas dabei sein.

© SZ vom 24.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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