Mitten in Bayern:Undankbares New Ulm

Lesezeit: 1 min

In Neu-Ulm soll ein Hochhaus entstehen, deutlich höher als es Bayerns Könige vor 150 Jahren erlaubt hätten. So argumentiert der Oberbürgermeister und vergisst dabei offenbar, welche Wohltaten die Monarchen seiner Stadt erwiesen

Von Johann Osel

Man hat die Tumulte noch vor Augen bei Stuttgart 21: der brutale Einsatz gegen die Kritiker des Bahnhofprojekts, politische Verwerfungen, eine gespaltene Stadt. Das lief bei der bayerisch-schwäbischen Variante - Neu-Ulm 21 mit neuem Bahnhof und riesigem Innenstadtareal - friedlicher. Auch beim letzten Schritt des Projekts, einem 50-Meter-Büroturm mit 13 Etagen, will die Stadt Ungemach meiden. Viele Anwohner sind dagegen, sie sollten kürzlich von Oberbürgermeister Gerold Noerenberg besänftigt werden. Die Lokalpresse notierte, wie sich der CSU-Politiker bei einem Treffen ins Zeug legte: Eine Stadt mit fast 60 000 Einwohnern müsse "städtisch denken" und auch an die Erfordernisse "unserer Zeit". Zum Beispiel mit Bauten, die deutlich höher seien, als sie Bayerns König vor 150 Jahren vorgeschrieben habe.

Nun lässt sich hier zweierlei herauslesen. Einerseits der urbane Anspruch, neulich hat Neu-Ulm auch die Vollzeitstelle einer "City-Managerin" geschaffen, um alle "City-Akteure in ein konstruktives City-Management zu bündeln". Klingt nach New Ulm, nicht nach der Stadt um Ulm herum. Heikel ist der Seitenhieb auf den König vor 150 Jahren. Klingt nach "König, gestrig, pfui, bäh". Überraschend ist diese Art Undankbarkeit, wie sie aus den Worten spricht. Als Ulm im Jahr 1810 zu Württemberg kam, blieben die paar Höfe und Kaschemmen rechts der Donau bei Bayern. Max I. Joseph hätte sagen können: "Königreichsrandgebiet, schaut's, wo ihr bleibt!" Aber er ließ 1811 eine Gemeinde gründen. Zur Zeit von Sohn Ludwig I. bekam Neu-Ulm dann eine Bundesfestung, Maximilian II. schenkte der Gemeinde ein Wappen, unter Ludwig II. wurde Neu-Ulm zur Stadt erhoben, "mit Rücksicht auf das rasche Emporblühen". Und da stichelt Noerenberg gegen die Könige. Bei den Bürgern in der Veranstaltung kam es prompt zum Aufschrei. Nicht aber, wie zu vermuten wäre, wegen der Verunglimpfung majestätischer Leistung - sondern schlicht wegen der Hochhaushöhe. Wohl aber wird das Trum am Ende gebaut, die Zeichen stehen auf Urbanität. Sein missglücktes Zitat könnte der Bürgermeister noch durch die Namensgebung ausmerzen. Wie wäre Wittelsbacher-Tower?

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: