Mitten in Bayern:Polizeiliche Randlage

Lesezeit: 1 min

Die Polizei soll "effektiver, effizienter und bürgernäher" werden, heißt es aus dem Innenministerium. Deshalb wird wohl Selb bald die einzige Große Kreistadt im Freistaat ohne Polizeiinspektion sein

Von Katja Auer

Zunächst ein bisschen Geografie für jene, die in der Regel nicht über die Donau hinauskommen: Im Nordosten von Bayern liegt das Städtchen Selb, viel näher an Thüringen und Sachsen als an Bayreuth oder Nürnberg und direkt an der tschechischen Grenze. Aber eben in Bayern, in Oberfranken ganz genau. Dieses Bayern ist ja nicht nur die Vorstufe zum Paradies, wie der Ministerpräsident zu wiederholen pflegt, sondern auch das sicherste aller Bundesländer, wie dessen Innenminister mantraartig vorbetet. Dass dies auch für Selb zu gelten habe, davon sind sie bislang ausgegangen, aber nun zweifeln die Bewohner. Denn Selb könnte bald die einzige Große Kreisstadt im Freistaat ohne Polizeiinspektion sein.

"Leistungsfähiger" soll die Polizei werden, heißt es aus dem Innenministerium, außerdem "effektiver, effizienter und bürgernäher". Deswegen wird die Inspektion in Selb mit der in Marktredwitz zusammengelegt, das ist ein Städtchen nahe der tschechischen Grenze und der Oberpfalz. Ja, auch in Bayern. Wenn dort die gesamte Verwaltung erledigt werde, so die Argumentation, dann hätten viel mehr Polizisten Zeit für Streifenfahrten. Außerdem bekommt Selb statt der ganz gewöhnlichen Polizeiinspektion eine "PI Fahndung", eine Spezialdienststelle, die sich auf die grenzüberschreitende Kriminalität spezialisiert. Am Ende, so geht die Rechnung von Innenstaatssekretär Gerhard Eck, seien in Selb sogar 17 Polizisten mehr stationiert als bisher.

Gut, nachts ist halt keiner mehr da. Die neue Wache soll bis 22 Uhr besetzt sein, an Sonn- und Feiertagen bis 18 Uhr. Wem außerhalb der Dienstzeiten etwas passiert, der kann auf ein Knöpfchen drücken und wird per Video mit den Polizisten in Marktredwitz verbunden. Die sind dann ruckzuck zur Stelle, es sind gerade einmal 25 Kilometer. Aber die Leute wollen uniformierte Beamte in der Stadt sehen, nicht in eine Kamera sprechen. Fast 6000 Unterschriften haben sie gesammelt und eine Demonstration für ihre Polizeiinspektion veranstaltet. Schließlich sollten doch für alle Menschen in Bayern gleichwertige Lebensbedingungen gelten, argumentieren sie, das wiederholen auch alle Vertreter der Staatsregierung gerne. Und das muss ja wohl auch noch am Rand gelten.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: