Mitten in Bayern:Oberpfälzer Albträumchen

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Der Postbote Josef Schmid hat es in Wenzenbach zum Bürgermeister gebracht. Und er soll die Gemeinde um 80 000 Euro geprellt haben. Ausgerecht der ´Schmidsepp´, der Pfundskerl!

Von Andreas Glas

I n Amerika gilt der Beruf des Postboten, neben dem des Tellerwäschers, nur als Zwischenetappe in ein Leben des Wohlstands und Reichtums. Der Beruf des Postboten ist dort drüben praktisch die Vorstufe zum Paradies, um gleich mal den Bogen nach Bayern zu schlagen, genauer: nach Wenzenbach, Oberpfalz, 8000 Einwohner. Dort hat es der Postbote Josef Schmid zwar nicht zum Millionär gebracht, aber immerhin zum Bürgermeister, vor zwölf Jahren war das. Und weil die Wenzenbacher ihn so gerne mochten, nannten sie ihn liebevoll "den Schmidsepp" und wählten ihn immer wieder. Vielleicht kein American Dream, aber ein Oberpfälzer Träumchen.

Soweit der etwas amerikanische Teil der Geschichte, jetzt der, nun ja, ziemlich bayerische: Kaum hatte er sein Amt aus Altersgründen abgegeben, zwei Jahre ist das her, da begann der Kommunale Prüfungsverband mal zu forschen, was der Schmidsepp all die Jahre als Bürgermeister so getrieben hat. Die Ergebnisse der Nachforschung: Zusammen mit dem Rathaus-Geschäftsleiter soll er die Gemeinde um fast 80 000 Euro geprellt haben. Für die Wenzenbacher war das ein Schock. Ausgerechnet der Schmidsepp, ein solcher Pfundskerl!

Voraussichtlich im Juni beginnt der Prozess gegen den Schmidsepp und seinen Spezl, den früheren Geschäftsleiter im Wenzenbacher Rathaus. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, was viele Wenzenbacher längst wussten: Der Schmidsepp ist unschuldig. Sein Anwalt jedenfalls argumentiert, dass ein gelernter Postbote naturgemäß keine Ahnung von Steuer-, Kommunal- und Verwaltungsrecht hat und der Schmidsepp deshalb gezwungen gewesen sei, sich auf die Expertise seines Geschäftsleiters zu verlassen. Mit anderen Worten: Wenn dem Schmidsepp sein Geschäftsleiter krumme Dinger dreht, kann ja der Schmidsepp nix dafür. Oder noch zugespitzter formuliert: Der Schmidsepp war einfach zu dumm fürs Bürgermeisteramt - und Dummheit ist bekanntlich kein Verbrechen.

Und sollte das Gericht dem Schmidsepp doch eine Schuld nachweisen: Er lebt trotzdem weiter, der Mythos, dass es auch ein Postbote zu Reichtum bringen kann. Eben vorausgesetzt, er lässt sich nicht beim Tricksen erwischen.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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