Mitten in Bayern:Für kühle Köpfe

Lesezeit: 1 min

Wenn schon die Winter im Schnitt nicht mehr so knackig kalt sind wie früher, müssen die Freizeitvergnügen dafür umso mehr hermachen. Und so ist ein Sport zum Trend geworden, der früher eher rar war - das Eisbaden

Kolumne von Johann Osel

Brrrrrrrrr. Wer schon mal das Spektakel eines Eisbadens oder Winterschwimmens beobachtet hat, der denkt genau das. Nur noch das. Ein Jungreporter der SZ wohnte, es ist Jahre her, mal einem solchen Termin bei, um zu berichten. Dem Veranstalter hatte er die persönliche Teilnahme zugesagt und seiner Redaktion einen famosen Selbsterfahrungsbericht. Als er dann aber an der Stoibermühle, einem See bei Freising, kurz einen Finger ins Wasser tauchte - Anfang Januar in einem viel strammeren Winter als derzeit -, kam dann doch der Warmduscher durch. Er müsse an Land bleiben, merkte er an, zwecks Notizen für den Text. Klare Sache. Beflissen notierte er dann, dass da Leute in den See spurteten, laut "Oh Gott" oder "Fuck" riefen und schon nach einer Minute wieder am Ufer waren, um dort handtuchumwickelt und Teebecher umklammernd einem Referat zu lauschen. Darin ging es um das "Feuerwerk der hormonellen Prozesse im Körper"; es sprach ein Arzt, der passenderweise Herr Nass hieß. Eine Agentur für Actionmarketing organisierte das Bohei.

Was man damals als rare Verrücktheit ansah, scheint längst Trend zu sein, gerade in Bayern. In München springen sie in die Isar, in der Oberpfalz in die Naab. Im Königssee, im Chiemsee oder im Weißenstädter See im Fichtelgebirge - vielerorts werden gerade Winterbadende gesichtet. Sie schwärmen von den Effekten. Schon Antonius Musa, Leibarzt von Kaiser Augustus, hat den Imperator in Eisbäder gesteckt. Der Arzt und Autor Carl Ludwig Schleich meinte vor hundert Jahren, Eiswasser werde "jede Entfettungskur kräftig unterstützen". Das Magazin Geo schrieb jüngst über die "Freaks"; allerdings auch darüber, dass es kaum Studien gebe, ob winterliches Baden tatsächlich gegen Erkältungen helfe. Haupteffekte wohl: Spaß, Adrenalin, "der Kick".

Wie in der Eisschwimmer-Metropole Burghausen, hier wurde dieser Tage sogar erstmals eine Stadtmeisterschaft abgehalten. Von der gesundheitlichen Wunderwaffe war in örtlichen Medien aber nichts zu lesen, dafür von der Gaudi, der tollen Stimmung und dem Miteinander der Vereine, die Schwimmer an den Start schickten. Am Ende ging jeder mit dem Titel eines Stadtmeisters heim, eine schöne Geste - und vielleicht mit einem Feuerwerk hormoneller Prozesse im Körper.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: