Mitten in Bayern:Europa und die Buckelpisten

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Die EU hat einen Randgebiet-Etat für die Sanierung abgelegener Straßen geschaffen. In Berchtesgaden legten sie los: Drei Straßen sind schon gemacht, das Geld aus Brüssel ist aber noch nicht da. Es fehlt ein Formular - das es noch gar nicht gibt

Von Johann Osel

Am Ende des Braunwegs in Maria Gern, Ortsteil von Berchtesgaden, wartet das Paradies. Wer das noch nicht weiß, der kann sich ein Video ansehen, das es über den dortigen Urlaub auf dem Bauernhof gibt - Hühner nebst Hasen in sattgrünem Gras vor Bergkulisse unter Sonne. Der Herrgott hat es bei der Vergabe der schönen Landschaft gut gemeint mit dem südöstlichsten Winkel des Freistaats, und hier in der Ecke wurde ja noch nicht mal ein neues Gewerbegebiet eingeweiht. Stattdessen sind ganz nahe: Ausläufer des Untersbergs, das malerische Wallfahrtskircherl Maria Gern, die rauschende Almbachklamm. Weniger ansehnlich soll bis vor kurzem der Braunweg selbst gewesen sein. Wie so oft am Rande von Randgebieten wurde lange nichts getan, dafür donnern öfters Traktoren über die Fahrbahn, die Witterung kommt hinzu. Die Straße soll zuletzt eine Rumpelpiste mit Löchern, Buckeln und Rissen gewesen sein.

Mit Freude haben die Berchtesgadener gehört, dass die EU mit einem Topf die Sanierung abgelegener Straßen fördert, der Markt ließ die Bauarbeiter anrücken. Drei Straßen in der Peripherie hat man bereits auf Vordermann gebracht. Der Besitzer des Anwesens am Braunweg frohlockt: Alles sei "picobello". Das Problem nur: Geld aus Brüssel gibt's erst mal keins, da ein bestimmtes Formular zum Abrufen der Mittel fehlt. Er habe anfangs eher an einen Scherz gedacht, sagte der Bürgermeister Franz Rasp im Bayerischen Rundfunk, der sich in seiner "Abendschau" der Causa ausführlich annahm; das Landwirtschaftsministerium sollte das Dokument bereit stellen, das die fertige Sanierung offiziell bestätigt. Es fehle, weil es noch gar nicht existiert.

"Die EU muss zeigen, dass sie sich auf die großen Dinge konzentriert, nicht auf das Kleinklein", hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker neulich in einer Krisenrede gesagt. Sollte Berchtesgaden das erste Opfer dieses Strategiewandels sein? Zum Glück nicht, der Freistaat werde das schon hinbekommen, und angesichts der niedrigen Zinsen sei das mit der Vorleistung nicht so schlimm, meint Rasp. Alsbald wollen die ministerialen Formular-Experten liefern, ist zu hören. Und in Berchtesgaden wollen sie weiter Buckelpisten sanieren - zu den Weilern und Gehöften, zu Hühnern und Hasen.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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