Mitten in Bayern:Der Miesbacher Schokoladenstreit

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Eine neue Chocolaterie in einem alten Haus, mitten am Marktplatz. Klingt wunderbar. In Miesbach allerdings wurde das zum Politikum, besser gesagt das Schild, das auf den wunderbaren Umstand hinweisen sollte

Von Johann Osel

Schokolade sei "Gottes Entschuldigung für Brokkoli" soll ein amerikanischer Schriftsteller mal treffend definiert haben; dass sie als Nervennahrung gilt und selbst in trüben Momenten die Stimmung heben kann, weiß die Wissenschaft. Diesbezüglich saß jedenfalls Sabine Oettl aus Miesbach wahrlich an der Quelle - Ärger hatte die Geschäftsfrau reichlich, ebenso Schokolade. Ihre "Chocolaterie" war vergangenes Jahr innerhalb Miesbachs umgezogen, an den Marktplatz. Dort steht seitdem das Zuckerparadies: mit mehreren Dutzend Pralinensorten, herb oder süß, mit Rum oder alkoholfrei, experimentierfreudig bis hin zum Balsamico-Karamell, dazu noch schokoladenüberzogene Früchte, Fruchtsaftbären und Bonbons. Alles hinter der Fassade des alten Geschäftshauses mit einem rundlichen Balkon - eben dieser hat Oettl jedoch die Neueröffnung des Laden alles andere als versüßt.

Ein Schild musste her nach dem Umzug, logisch: die Leute sollten ja wissen, was in der Hausnummer zwölf jetzt zu finden ist. Eine kleine Tafel, keinen Quadratmeter groß, am Balkon des ensemblegeschützten Hauses war angedacht. Nein, beschied man im Rathaus, denkmalschutzrechtlich sei das nicht leichtfertig zu genehmigen. Keinen Präzedenzfall wolle man schaffen. Wo käme man denn hin, wenn plötzlich auch der Metzger anzeige, dass er Koteletts, Salami und Leberkäs offeriert? Denkmalschutz-Knatsch gibt es am Miesbacher Marktplatz immer wieder. Sabine Oettl ärgerte sich, schmunzelte auch, sagt sie. Und sie kämpfte. Zwei Mal war die Causa "Chocolaterie" Thema im Bauausschuss, zudem im Landratsamt, in all der Zeit eifrig notiert vom Miesbacher Merkur, wo man der Angelegenheit den Rang eines "Politikums" zusprach. Keiner hat aber je gezählt, wie viele Bürger in diesen Monaten im nahen Schreibwarenladen verzweifelt Champagner-Trüffel suchten.

Ein Ortstermin hat nun doch noch den Durchbruch gebracht. Die Denkmalschutzbehörde hat sozusagen als "Denk mal!"-Schutz eine schier revolutionäre Lösung gefunden: das Schild ist erlaubt, 35 statt 40 Zentimeter hoch und nicht ganz so breit wie geplant. Ein Grund zum Feiern ist das, Frustschokolade ade. Stattdessen vielleicht lieber Liköre und Brände - die führt der Laden auch.

© SZ vom 24.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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