Miesbach:Ilse Aigner bringt sich als Seehofer-Nachfolgerin in Position

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Delegierte des Bezirksparteitags hören der Chefin der CSU Oberbayern zwar nur beiläufig zu, wählen sie aber mit 96,3 Prozent der Stimmen wieder

Von Daniela Kuhr, Miesbach

Da gibt es gar nichts schön zu reden, es war offensichtlich: So gut wie niemand interessierte sich am Samstagmorgen im Miesbacher Waitzinger Keller für das, was Ilse Aigner zu sagen hat. Fast keiner der 400 Delegierten des Bezirksparteitags hörte zu, während sich die Chefin der CSU Oberbayern gute 40 Minuten lang abmühte. Die Gäste plauderten, aßen Weißwürste oder Wienerle, tranken Spezi oder Weißbier - und Aigner forderte derweil beim Thema Flüchtlinge eine "faire Lastenverteilung in Europa". Sie betonte, dass die Energiewende mehr sei "als nur Leitungen bauen", sie kritisierte die Umsetzung des Mindestlohns als "Heimsuchung" und stellte fest, dass die Digitalisierung "eine Riesenchance" sei - "eine Riesenchance".

Alles wichtig, doch keiner hörte zu. Schlimm? Ach was, bekanntlich zählt ja nur, was am Ende dabei rauskommt - also das Ergebnis. Und das hat am Samstag gestimmt: Mit ganzen 96,3 Prozent der Stimmen wählten die Delegierten Aigner am frühen Nachmittag erneut zur Bezirkschefin und gaben damit das klare Signal: Wir stehen hinter ihr - was nicht die schlechteste Voraussetzung ist, um weiterhin neben dem aus Franken kommenden Finanzminister Markus Söder als aussichtsreiche Kandidatin für die Nachfolge des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Horst Seehofer zu gelten.

96,3 Prozent - das war zwar weniger als 2013, wo Aigner 99,7 Prozent bekommen hatte. Aber beachtlich war es allemal. Zumal niemand ernsthaft erwartet hatte, dass sie noch einmal dermaßen gut abschneiden würde. Und zwar nicht nur, weil so ein Ergebnis eigentlich gar nicht zu toppen ist. Sondern vor allem, weil es kein Geheimnis ist, dass es eine gewisse Unzufriedenheit mit Aigner gibt. Man wirft ihr vor, dem ständig wirbelnden Söder zu viel Raum zu lassen, ihm nichts entgegenzusetzen. Während Söder sich in Gondeln, vor Schafen oder mit Google-Brille ablichten lässt, neigt Aigner dazu, sich auf die Sacharbeit zu konzentrieren - und sich zu wundern, warum das nicht so wahrgenommen wird wie die Inszenierungen ihres Kollegen. Doch mittlerweile hat sie erkannt, dass sie da etwas falsch gemacht hat - und beschlossen, künftig auch ein wenig mehr "zu wirbeln". Das allerdings muss die Ministerin wohl noch ein wenig üben.

Am Samstag jedenfalls gab es während ihrer gesamten Rede nur zwei Stellen, an denen die Delegierten ihr Geplapper einstellten und stattdessen laut und lange applaudierten: einmal, als Aigner dem scheidenden CSU-Vize Peter Ramsauer für sein Engagement in der Partei dankte - und das zweite Mal bei ihrem Schlusssatz: als sie einen Spruch ihres Rivalen Söder aufgriff, der - um seine eigene Kandidatur als Seehofer-Nachfolger zu unterstützen - gern sagt, derjenige müsse den Elfmeter schießen, der am besten treffe. Aigner dagegen meinte am Samstag, es sei vielleicht besser, schon vorher, also in der regulären Spielzeit, denjenigen zu unterstützen, der mit seinem Team dafür sorge, "dass es gar nicht zum Elfmeterschießen kommt". Der daraufhin einsetzende Applaus zeigte: Aigner, die Teamplayerin, kann sich auf ihre Leute verlassen. Sie unterstützen ihre Chefin und vor allem: Sie mögen sie. Und so hatte Aigner - nach 40 Minuten zermürbender Rede - doch noch allen Grund, freudestrahlend die Hände in die Luft zu recken.

96,3 Prozent - das ist allerdings auch weniger, als Söder vor zwei Wochen geholt hatte. Der Nürnberger CSU-Chef war mit 98 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Doch ist der Bezirksverband Nürnberg-Fürth-Schwabach winzig im Vergleich zum Bezirksverband Oberbayern. Und so unterstrich Aigner denn auch ihren erwachten Kampfgeist, indem sie sagte: "In Oberbayern werden die Wahlen gewonnen." Wenn der Spitzenkandidat aus Oberbayern komme, sei "das Ergebnis besser", betonte sie und verwies etwa auf Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber sowie Amtsinhaber Seehofer, beides Oberbayern.

Seehofer indes gab sich keine große Mühe, zu verbergen, dass er Aigner lieber unterstützt als Söder. Zwar hatte der amtierende Ministerpräsident und Parteichef vor zwei Wochen auf dem Bezirksparteitag in Nürnberg Söder als "tragende Säule" im Kabinett bezeichnet und von einer "segensreichen Zusammenarbeit" gesprochen. Das wirkte jedoch regelrecht kühl, verglichen damit, wie Seehofer am Samstag über Aigner sprach. "Die Ilse" sei "eine grundehrliche Politikerin, ich kann ihr blind vertrauen". Da sie in Berlin bestens vernetzt sei, habe sie gerade in der jüngsten Vergangenheit dort oft "als Türöffnerin" fungiert. Sie setze "nicht die Inszenierung an die Stelle der Sachpolitik", sagte Seehofer - in unverkennbarer Anspielung auf das erfolgreiche Selbstmarketing des Finanzministers. Und schließlich: "Ilse, du bist eine ganz starke Persönlichkeit in unserer Partei - in unserem Kabinett."

Neu in der Riege der vier Stellvertreter Aigners ist Bayerns Staatskanzleichef Marcel Huber, der mit 98,9 Prozent noch mehr Stimmen als Aigner erhielt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt bekam 88,3 Prozent der Stimmen - ein besseres Ergebnis als beim letzten Mal, wo er 86,9 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Als Bezirksvize bestätigt wurden Rosenheims Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer (96,3 Prozent) und der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer (94,1).

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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