Medien:Schülerzeitungen - das Labor des großen Journalismus

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SZ und Kultusministerium starten wieder den Blattmacher-Wettbewerb an Bayerns Schulen. In Zeiten von Fake-News wird Medienkompetenz wichtiger denn je

Von Katharina Schmid, München

Moritz Baumann redet wie einer, der schon lange im Geschäft ist. Einer, der um sein Können weiß, aber auch um seine Verantwortung. Moritz ist erst 18, aber schon Chefredakteur des Globus, der Schülerzeitung am Johann-Schöner-Gymnasium im unterfränkischen Karlstadt. Der Zwölftklässler spricht von einer "großen Verantwortung in polarisierenden Zeiten" und klingt dabei nicht wie der Redakteur einer Schülerzeitung, sondern wie der eines großen Blatts, das sich in "postfaktischen" Zeiten, gespickt von gezielten Falschmeldungen und dem Vorwurf "Lügenpresse", Gedanken über die Zukunft des Journalismus macht.

Früh journalistische Verantwortung zu übernehmen, das gelingt wohl nirgendwo besser als in der Redaktion einer Schülerzeitung. Gut 900 gibt es davon nach Angaben des bayerischen Kultusministeriums in Bayern; etwa 12 000 Jungredakteure schreiben, fotografieren und layouten für diverse Formate. Sie wollen Debatten anstoßen, müssen Kritik aushalten, sollen gleichzeitig mutig und reflektiert sein. Keine leichte Aufgabe für die jungen Leute, die sich oft nicht damit begnügen, über Schulinternes zu berichten, sondern auch die großen Themen aus Politik und Gesellschaft beackern.

Mit dem "Backpulver im Kuchen" vergleicht der Landesschülerrat, die Vertretung aller bayerischen Schüler, die Schülerzeitung. Sie mache zwar nur einen kleinen Teil des Schullebens aus, bewirken könne sie aber Großes. Ähnlich denkt Moritz Baumann. Seine Schülerzeitung Globus hat im bayernweiten Wettbewerb "Blattmacher" 2016 den zweiten Platz erreicht, bundesweit wurde sie kürzlich für die beste journalistische Leistung ausgezeichnet. Dahinter steckt das Team um Moritz, der überzeugt ist, dass die Arbeit in einer Schülerzeitungsredaktion eine große Verantwortung mit sich bringt. Regelmäßig organisiert die Globus-Redaktion deshalb Seminare und Fortbildungen, in denen jüngeren Schülern jenes Handwerkszeug mitgegeben werden soll, das es braucht, um eine solide Zeitung zu machen.

"Die Schülerzeitung ist in einigen Fällen - neben einem Blick auf die Facebook-Timeline - eines der wenigen Medien, über das sich die Schüler gerne informieren und sich eine Meinung bilden", sagt Moritz. Deshalb richtet Globus neben schulinternen und Lifestyle-Themen seinen Fokus auf Politik und Gesellschaft. "Migration" lautete das Thema des 2016 ausgezeichneten Hefts; im darauffolgenden haben sich die Schüler mit den Konsequenzen der Flüchtlingskrise auch anhand des Erstarkens der rechtspopulistischen AfD auseinandergesetzt. "Da war die Resonanz sehr groß. Sogar im Kollegstufenzimmer wurde über unseren Beitrag diskutiert", erinnert sich Moritz und fügt hinzu: "Zu sehen, dass wir mit unserer Berichterstattung einen Diskurs anregen, das ist schon eine Bestätigung."

Globus hat damit eine Aufgabe übernommen, die der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle in einer Publikation, die sich direkt an die Schülerzeitungsmacher wendet, besonders hervorhebt: "Ihr motiviert eure Mitschüler, sich eine eigene Meinung zu bilden und zu begründeten Standpunkten zu kommen. Nur so können sie mündige Staatsbürger werden."

Die Schüler auf ihrem Weg zum mündigen Bürger zu begleiten, das komme an bayerischen Gymnasien leider oft viel zu kurz, sagt Moritz Baumann, selbst Schüler einer 12. Klasse. "Der Sozialkundeunterricht in Bayern ist völlig falsch ausgerichtet", sagt er. "Die Zeit reicht vielleicht, um Grundsätzliches zu verstehen. Aber um aktuelle Geschehnisse und Entwicklungen zu behandeln, dafür ist keine Zeit da." Diese Lücke müsse dann eben die Schülerzeitung füllen.

Kein geringer Anspruch, den der 18-Jährige an sich und seine Kollegen formuliert. Aber es stimmt: Zeitungen sind aus einer Demokratie nicht wegzudenken. Ihre Funktion als Medium der Information und Kontrolle wird im bayerischen Pressegesetz, Artikel 3, deutlich: "Die Presse dient dem demokratischen Gedanken." Die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung und das Recht, ungehindert Informationen einzuholen, zu berichten und Kritik zu üben, sind darin miteingeschlossen.

Genau dort setzen auch die Blattmacher an den bayerischen Schulen an: Selbständiges und kreatives Arbeiten ist verlangt, verantwortungsbewusste Meinungsäußerung gefordert. "Ich merke schon, dass ihr Bewusstsein für die Verantwortung, die sie in der Redaktion tragen, im Lauf der Zeit wächst", sagt Beate Keeser über ihre Schüler. Die Deutschlehrerin betreut die Macher der Zeitung Zoom der FOS/BOS Freising, die im vergangenen Blattmacher-Wettbewerb den ersten Platz belegt hat. Zahra Lalzad, eine der verantwortlichen Redakteurinnen an der Freisinger Schule, ist selbst als Flüchtling nach Deutschland gekommen und hat ihre persönliche Liebe zum Schreiben in der Schülerzeitung umsetzen können. Für die ausgezeichnete Ausgabe von Zoom ist sie in Flüchtlingsunterkünfte gegangen, hat mit den Menschen dort geredet und sich selbst ein Bild von ihnen und ihrer Lage gemacht. Für die kommende Ausgabe von Zoom will die 21-jährige Zahra einen Beitrag über Donald Trump verfassen und unter anderem darauf eingehen, wie der US-Präsident im viel zitierten postfaktischen Zeitalter die Tatsachen verdreht.

Ein anspruchsvolles Thema, das sich die Schülerin hier vorgenommen hat. Und ein Thema, mit dem sich schon viele Journalisten auseinandergesetzt haben, beispielsweise auch Giovanni di Lorenzo, der Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit. Auch di Lorenzo hat einst bei einer Schülerzeitung angefangen und sagte dazu einmal im Radio Bremen: "Ich wollte die Welt verändern. So fängt jeder an." Vielleicht nicht gleich die ganze Welt, aber immerhin das Leben und die Debattenkultur an ihren Schulen können Schülerzeitungsredakteure verändern. Im Juli, wenn die Sieger des diesjährigen Blattmacher-Wettbewerbs bekannt gegeben werden, wird feststehen, wem das in Bayern heuer besonders gut gelungen ist.

Bewerber schicken fünf Originale einer Ausgabe, erschienen zwischen September 2016 und 20. Juni 2017, und den ausgefüllten Teilnahmebogen an die Süddeutsche Zeitung, Bayernredaktion, Hultschiner Straße 8, 81677 München. Einsendeschluss ist der 20. Juni 2017 (Datum des Poststempels). Ausführliche Ausschreibung unter sz.de/blattmacher oder km.bayern.de/blattmacher.

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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