Lesbische Erzieherin siegt vor Gericht:"Wer für die Kirche arbeitet, ist selber schuld"

Zwölf Jahre lang macht eine Erzieherin ihren Job tadellos - dann outet sie sich als lesbisch. Die katholische Kirche, ihr Arbeitgeber, kündigt der Frau, obwohl sie in Elternzeit ist. Ein Gericht stellt sich nun auf die Seite der Mutter. Ihren Arbeitsplatz könnte sie bald trotzdem verlieren.

Stefan Mayr, Augsburg

Kurz vor Beginn der Verhandlung blickt sich Tanja Schneider (Name geändert) nochmals zu ihrer Familie um. In der zweiten Reihe des vollbesetzten Zuschauerraums sitzen ihre Lebenspartnerin und deren Mutter. Auf dem Schoß der Oma sitzt der Sohn des lesbischen Paares.

Gerichtsprozess um Kündigung lesbischer Erzieherin

Das Verwaltungsgericht Augsburg stufte den Schutz einer Familie durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz höher ein als das Kündigungsrecht der Kirche bei einem Verstoß gegen die Glaubenslehre.

(Foto: dpa)

Während seine zwei Mütter dem Prozess sichtlich nervös entgegen blicken, brabbelt der fast einjährige Bub mit seinen blonden Haaren und großen Augen einfach vor sich hin. Etwas angestrengt wirkt auch Ivo Moll, der Präsident des Verwaltungsgerichts Augsburg, angesichts des Medienandrangs. "Ein Stress ist das", stöhnt er, "sonst haben wir nie jemand da".

Moll hatte für die Presseleute extra eine Zusammenfassung des Tatbestands vervielfältigen lassen. Doch seine Sekretärin muss nochmals zum Kopierer eilen, es sind weit mehr Journalisten gekommen, als Moll erwartet hatte.

Auslöser des Medienansturms ist die Diözese Augsburg: Sie hatte Tanja Schneider als Leiterin eines katholischen Kindergartens im Landkreis Neu-Ulm gekündigt, obwohl sich diese in Elternzeit befindet. Als Grund des Rauswurfs nennt das Bistum die homosexuelle Lebenspartnerschaft der Erzieherin. "So einen Fall gab es in ganz Deutschland noch nie", sagt Ivo Moll über das Verfahren, mit dem er juristisches Neuland betritt.

Folgende Frage hat er zu klären: Darf die Kirche einer Mutter, die ihre Arbeit zwölf Jahre lang ohne Beanstandungen gemacht hat und sich in Elternzeit befindet, wegen ihrer sexuellen Orientierung kündigen?

Die Diözese Augsburg bejaht dies, weil eine homosexuelle Lebenspartnerschaft eine "schwerwiegende Loyalitätspflichtverletzung im Sinne der kirchlichen Grundordnung" darstelle. Das Gewerbeaufsichtsamt erklärt dagegen, der Schutz einer Familie durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) wiege schwerer als die katholische Glaubens- und Sittenlehre. Deshalb ließ das Amt die Kündigung nicht zu. Damit wollten sich die Kirchenleute nicht abfinden - sie klagten gegen den Freistaat Bayern, um die Kündigung durchzusetzen.

Tanja Schneider brachte im August 2011 ihren Sohn auf die Welt. Ihrem Antrag auf Elternzeit legte sie eine Bescheinigung ihrer eingetragenen Lebenspartnerschaft bei. "Zuvor hatte ich meine Partnerschaft sieben Jahre lang verschwiegen - immer aus Angst, den Job zu verlieren", sagt die 39-Jährige.

Diese "Lügerei" wollte sie beenden, "das konnte ich mit meinem Glauben nicht länger vereinbaren". Sie wollte das Versteckspiel auch ihrem Kind - das inzwischen getauft ist - ersparen. "Ich lebe lieber ehrlich." Einige Eltern aus dem Kindergarten hätten sie angerufen und ihr Mut zugesprochen: "Eine Mutter sagte, ich sei nach wie vor eine liebenswerte Person", sagt Schneider.

Erzieherin rechnet mit Rauswurf

Nach zweistündiger Verhandlung kann sie aufatmen - und die Diözese muss eine Niederlage einstecken: Das Verwaltungsgericht weist die Klage ab. In seiner Urteilsbegründung stellt Richter Moll klar, dass im aktuellen Fall eine Kündigung durchaus möglich sei - aber erst nach der Elternzeit. Als Religionsgemeinschaft habe die Kirche das Recht, Mitarbeiter zu entlassen, wenn sie gegen deren Glaubens- und Sittenlehre verstoßen.

Aber solange sich die Angestellte in Elternzeit befindet, gelte ein Kündigungsverbot. Dieses Verbot werde nur "in besonderen Fällen ausnahmsweise" unwirksam - beispielsweise wenn eine Angestellte eine Straftat begehe. Dies sei hier aber nicht der Fall, betont Moll: "Was sie getan hat, ist aus weltlicher Sicht völlig akzeptiert, es ist nur ein Verstoß gegen kirchliches Recht." So denke die Kirche halt, sagt Moll, und fügt hinzu: "Wer für die Kirche arbeitet, ist selber schuld."

Ob er damit seine Verwunderung zum Ausdruck bringen will, dass die katholische Kirche von einer staatlichen Behörde respektive einem Gericht erst dazu gebracht werden muss, eine Mutter mit einem einjährigen Kind nicht auf die Straße zu setzen? Moll sagt, der Schutzzweck des Elternzeit-Gesetzes sei "höher zu bewerten" als das Interesse der Kirche, das Arbeitsverhältnis schon während der Elternzeit zu beenden.

Tanja Schneider nimmt das Urteil erleichtert zur Kenntnis: "Ich bin froh, dass es endlich vorbei ist." Das letzte Wort ist allerdings noch nicht gesprochen: Die Diözese überlegt, nach Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung in die zweite Runde zu gehen und beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof die Zulassung einer Berufung zu beantragen.

So könnte der Fall abseits des Verwaltungsrechts auch in arbeitsrechtlicher Hinsicht noch spannend werden: Denn nach Ende ihrer Elternzeit wird Tanja Schneider voraussichtlich ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. "Dieser Kindergarten ist mein Baby", sagt sie. Die Kirche hat dann zunächst die Pflicht, sie bis zum Ablauf der sechsmonatigen Kündigungsfrist zu beschäftigen.

Langfristig rechnet Schneider aber mit dem Rauswurf: "Die wollen mich loswerden." Sie gehe davon aus, dass sie keinen Fuß mehr in den Kindergarten setzen dürfe. "Mal schauen, was sie mir anbieten."

Während sie den zahlreichen Kamerateams zufrieden lächelnd Interviews gibt, ist ihr Sohn nicht mehr so gut gelaunt. Er schreit.

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