Endlich mal den Stundenplan ausmisten, jawohl! Hört sich immer gut an, das unterschreibt jeder. Und das ist nun auch der Plan in Bayern, das Projekt hört auf den etwas irreführenden Namen: LehrplanPlus. Die Schüler sollen weniger Stoff pauken müssen und, noch wichtiger, die Lehrer sollen selbstständiger darüber entscheiden können, welches Buch gelesen wird. Im Fach Deutsch soll ein Abiturient künftig nur noch exakt ein Werk verbindlich gelesen haben: nur noch Goethes "Faust", erster Teil.
Das heißt nun aber auch: Den "WoyzecK", eh schon ein Fragment, kennen Bayerns Abiturienten künftig womöglich nur noch als Auszug. Über Lessings "Nathan", Schillers "Kabale und Liebe" und Brechts "Leben des Galilei" informieren sie sich im Zweifelsfall aus "Königs Erläuterungen". Und für Fontanes "Effi Briest" und Thomas Manns "Tod in Venedig" reicht dann in Zukunft auch einfach mal Wikipedia? Ist das so gewollt im Kulturstaat Bayern?
Kaum einen lässt das Thema kalt
Die Süddeutsche Zeitung hat sich mal ungehört. Und hat kaum einen gesprochen, den das Thema kalt lässt. Die einen sagen: Faust, klar, das ist der literarische Solitär, der steht über allem. Die anderen sind schon lange genervt vom ewigen Weimar-Kult. Und wenn es schon Goethe sein muss: Warum dann nicht der "Werther"?
Eine bayerische Staatsschauspielerin erzählt, wie sie jüngst an ihrer früheren Schule aus "Kabale und Liebe" vorlesen sollte - aber die Lehrerin keine Zeit hatte, den Schülern den Schiller-Text vorher auch mal zum Lesen zu geben. Ein Schriftsteller ist immer schon irritiert vom Gebaren des Geheimrats Goethe, für ihn war der die "große Literaturbetriebsnudel seiner Zeit" - also wirklich niemand, dem man ewig huldigen muss. Und ein Literatur-Professor wäre schon froh, wenn seine Studenten wenigstens den Faust gelesen hätten.