Landshut:Das bedrohte Koenig-Reich

Lesezeit: 4 min

Ein Jahr nach dem Tod des Bildhauers Fritz Koenig tobt in seiner Heimatstadt weiter der Streit um sein Erbe. Die Gegenspieler pflegen ihre Befindlichkeiten, die Kunst gerät dabei in den Hintergrund. Der Oberbürgermeister macht keine gute Figur

Von Sabine Reithmaier, Landshut

Ein Jahr ist Fritz Koenig jetzt tot. Eigentlich hatte der Bildhauer alles wohl geordnet hinterlassen: eine Stiftung gegründet, sich ein Museum bauen lassen. Es liegt nicht an ihm, dass die Streitereien um seinen Nachlass in Landshut einfach nicht abreißen. An diesem Freitag, einen Tag nach Koenigs erstem Todestag, beginnt in seinem Skulpturenmuseum das Ausräumen, startet der Abbau der letzten von ihm selbst gestalteten Ausstellung.

Das passiert sicher sorgfältig, wie das in Landshut üblich ist, wo es den Verantwortlichen der Fritz-und-Maria-Koenig-Stiftung vor lauter kuratorischer Korrektheit bis heute nicht geglückt ist, die Leihverträge für die große Koenig-Retrospektive in den Florenzer Uffizien abzuschließen. Angeblich ist noch nicht geklärt, ob Übergabeprotokolle für die 88 Objekte genügen oder ob es vorher zusätzlich noch Zustandsprotokolle eines Restaurators geben soll. Alle anderen Leihgeber, darunter die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, hätten unterschrieben, teilt Ausstellungskurator Alexander Rudigier mit.

Nur die städtische Stiftung braucht noch Zeit, obwohl Oberbürgermeister Alexander Putz (FDP), seines Zeichens auch Stiftungsvorsitzender, ständig verkündet, wie begeistert er von der geplanten Ausstellung ist. Vermutlich hat er es sich auch leichter vorgestellt, eine Stiftung zu leiten. Ein gutes Jahr ist er jetzt Oberbürgermeister. Und im Moment sieht es so aus, als würde er es schaffen, eine große Chance für Landshut in eine riesige Blamage zu verwandeln. Nichts anderes wäre es, wenn die Landshuter Beteiligung an der Koenig-Ausstellung in den Uffizien, einem der meist besuchten Museen der Welt, an den Querelen der Stiftung und deren überforderten Vorsitzenden scheitern würde.

Im Landshuter Skulpturenmuseum fanden zu Lebzeiten des Bildhauers Fritz Koenig gerade einmal vier Ausstellungen statt - alle vom Künstler selbst bestückt. (Foto: Klaus Leidorf/oh)

Überhaupt ist die Stimmung unter all den Menschen, die in Landshut etwas mit Koenigs Werk zu tun haben, nicht besonders gut. Eher miserabel. Nicht erst seitdem neun Stadträte ihre Teilnahme an der Gedenkveranstaltung am Donnerstagabend mit der Begründung absagten, sie sei Koenig, einem der großen Bildhauer des 20. Jahrhunderts, nicht würdig - weil statt "profunder Kenner" des Künstlers allein OB Putz und Franz Niehoff, Leiter der Städtischen Museen, die Reden halten sollen und so "aus einem großem Anlass eine Provinzveranstaltung machen", sagt Grünen-Stadträtin Sigi Hagl.

Das seien bloß anfängliche "Transformationsschwierigkeiten", wiegelt Niehoff ab. Er ist seit August 2017 auch Chef des Skulpturenmuseums, damit zuständig für dessen Zukunft. Gut gelaunt steht er in der Heiliggeistkirche vor dem von Koenig geschaffenen Altar und erzählt von seinen Planungen. 30 Skulpturen des Bildhauers sollen in den lichten Raum einziehen für einen Ausstellungsdialog zwischen Koenig und anderen Bildhauern wie Christian Wenzel Jorhan (1727 - 1804) und Hans Leinberger (1470/1480 - 1531). Koenig hat in seinem Stiftungsvertrag festgelegt, dass wesentliche Teile seiner Leihgaben ständig zu präsentieren sind. Schließt sein Museum, so muss ein anderer Ort gefunden werden. "Die 900 Quadratmeter hier helfen uns, die 50-Prozent-Klausel zu erfüllen", erläutert Niehoff.

Als Kunsthistoriker kommt er vom Mittelalter her, hat aber in der Heiliggeistkirche schon viele Zeitgenossen präsentiert, Rupprecht Geiger etwa oder Roberto Longo. Und er legt Wert auf die Feststellung: "Koenig hat mich seinerzeit gewählt." Das stimmt. Der Kunsthistoriker hatte 1995 in Braunschweig die Ausstellung "Heinrich der Löwe und seine Zeit" kuratiert. Koenig gefiel die Schau, er sprach sich für Niehoff aus, der 1996 seinen Posten als Landshuter Museumsleiter antrat. Als aber am 20. Juni 1998 das Skulpturenmuseum eröffnete, hieß dessen junge Chefin Stefanje Weinmayr, die über Koenigs Epitaphe ihre Magisterarbeit geschrieben hatte. Eine arge Zurücksetzung Niehoffs. Müßig zu erwähnen, dass das Verhältnis zwischen den beiden nie gut war. Im August jedenfalls, als OB Putz die von Koenig immer abgelehnte Eingliederung seines Hauses in die Städtischen Museen vollziehen ließ, hagelte es Proteste. Während es anfangs hieß, Weinmayr bleibe weiter für das Museum zuständig, sieht es nun eher so aus, als müsse sie für vieles als Sündenbock herhalten, zum Beispiel dafür, dass die Leihverträge immer noch nicht unterschrieben sind.

Das Museum wurde am 20. Juni 1998 eröffnet. (Foto: imago stock&people)

Was mit den Verträgen überhaupt sei? Die lägen auf seinem Schreibtisch, sagt Niehoff. Fast fertig, ein paar Kleinigkeiten noch. Eigentlich wollte der Stiftungsvorstand schon in der Sitzung am 6. Februar darüber abstimmen. Doch da lagen die Verträge nicht vor, keiner aus dem Vorstand - Putz fehlte wegen Erkrankung - hatte sie bis dahin je zu Gesicht bekommen. "Stattdessen wurden wir Zeugen von unerträglich kleinlichen Auseinandersetzungen", beschwerten sich Stiftungsvorstandsmitglieder, darunter der langjährige Landshuter OB Josef Deimer sowie die Stadträte Maria Haucke (SPD), Maria Fick (LM) und Hedwig Borgmann (Bündnis 90/Die Grünen), am 10. Februar in einem Brief an die Stiftungsvorsitzenden Putz, Reinhold Baumstark und Reinhard Sax Luft. Statt Sachverhalte im Voraus abzuklären, etwa Leihsummen oder Leihdauer von Bildern, sei nur Kritik an der Entscheidung der Uffizien für zwei angeblich unerfahrene Kuratoren an dem Vertrag aus Florenz geäußert worden. Niehoff habe jede Gelegenheit genutzt, die angeblich unsachgemäße Arbeit Weinmayrs vorzuführen. "Uns fehlt jedes Verständnis für dieses Verhalten, das jegliche konstruktive Arbeit unmöglich macht."

Der Leihvertrag der Uffizien liegt bereits seit 18. Januar in Landshut vor. Niehoff habe, so stellen es die Vorstandsmitglieder dar, am 22. Januar ein unvollständiges Vertragsexemplar an Weinmayr weitergeleitet mit dem Auftrag, dies zu bearbeiten. Am 26. Januar habe sie es ausgefüllt zurückgeschickt mit der Bemerkung, dass insbesondere die Leihsummen kritisch überarbeitet werden müssten. "Seither ist nichts passiert", heißt es in dem Brief. Als Hedwig Borgmann in der Sitzung wissen wollte, wer mit den Uffizien rede, um die neuerliche Verzögerung mitzuteilen, habe Stadtdirektor Andreas Bohmeyer, in der Verwaltung zuständig für die Museen, nur lapidar geäußert: "Wir müssen nicht mit Florenz reden." Verständlich, dass den Stiftungsvorständen jegliches Verständnis für die Bemerkung fehlt. "Sie ist angesichts der Größe des Projekts und der Bedeutung einer Retrospektive in den Uffizien geradezu ungeheuerlich und lässt uns zweifeln, ob überhaupt ein ernsthaftes Interesse am Zustandekommen der Verträge besteht."

Mit Weinmayr immerhin redete Bohmeyer schon - das bezeugt ein weiteres Schreiben einer zuhörenden Stadträtin an den Oberbürgermeister. Er riet ihr am Rande der Sitzung, so die Stadträtin, ihre Sachen zu packen und zu gehen. "Sehen Sie endlich ein, ihre Zeit in der Stadtverwaltung Landshut ist abgelaufen", zitiert sie ihn. Weinmayr ist noch da, sagt aber nichts mehr öffentlich. Ihre Projekte für 2018 sind längst gekippt worden, auf ihre Vorschläge erhält sie keine Antworten.

Zum 26. Mai, dem 25. Jahrestag der Gründung der Stiftung, will Niehoff im Skulpturenmuseum die Ausstellung "Koenig hoch 2 - Dialog im Labyrinth" eröffnen. In den 20 Jahren seines Bestehens habe es bisher nur vier Ausstellungen gegeben, alle von Koenig selbst eingerichtet, sagt er. Lauter Monologe, die der Bildhauer nur mit sich selbst führte, während Niehoff jetzt auf Dialoge setzt, auch lokalen Künstlern Raum geben und Koenig in verschiedenen Zusammenhängen zeigen will. Dialoge - das klingt doch gut. Aber es wirkt nicht so, als würde die Kunst der Gesprächsführung in Landshut große Fortschritte machen.

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: