Landesparteitag der SPD:Herz oder Hirn, das ist die Frage

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Der bayerische SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold auf dem kleiner SPD-Parteitag in München. (Foto: dpa)

Auf dem Landesparteitag der SPD in München wirbt Parteichef Pronold für die große Koalition. Doch Begeisterung bei den Genossen löst ein anderer Redner aus.

Von Martin Mühlfenzl

Das mit der staatstragenden Geste hat Florian Pronold schon raus. Ein Arm vor der Brust verschränkt, der andere in Denkerpose darauf aufgestützt, erklärt der Landeschef der bayerischen SPD seinen Genossen, warum seine Partei im Bund eine große Koalition eingehen müsse.

Nun sind staatstragende Gesten aber kaum dazu da, große Begeisterungsstürme hervorzurufen; sie sollen Seriosität und Kompetenz vermitteln - und Pronold will auch keine Begeisterung für das Bündnis mit der Union auslösen: Er wolle die große Koalition auch nicht, sagt er vor den mehr als hundert Genossen im Münchner Gewerkschaftshaus. Aber: Die Sozialdemokratie ist nicht angetreten, um sich auf Oppositionsbänken auszuruhen. Verhalten fällt der Beifall für den Vorsitzenden aus.

Ohnehin soll es an diesem Samstag um ein ganz anderes Thema gehen. Während nur wenige Kilometer entfernt die Christsozialen auf einer Welle der Euphorie durch ihren Parteitag marschieren, stellen die bayerischen Genossen auf ihrem kleinen Landesparteitag ihre Kandidatenliste für die Europawahl 2014 auf.

Eine Prozedur, die eigentlich kaum ausreichend inhaltliches Potenzial für einen Parteitag bietet, schließlich baut sich die Liste wie von selbst auf. Das Gesicht der bayerischen Genossen im Europaparlament ist in München schon nicht mehr zu sehen. Wolfgang Kreissl-Dörfler stürzt sich auch in den letzten Monaten seines Abgeordneten-Daseins in die Arbeit - im Mai tritt der gebürtige Augsburger nicht noch einmal für einen Sitz in Straßburg an.

An seine Stelle rücken die beiden anderen bayerischen EU-Parlamentarier. Kerstin Westphal und Ismail Ertug führen die bayerische Liste an - auf den Plätzen drei und vier folgen zwei Oberbayern. Maria Noichl und Ralf Mattes werden von den Delegierten aussichtsreich platziert und sollen einen Wunsch des Parteivorstandes erfüllen. "Wenn wir wieder einen dritten Sitz bekommen, soll er dem größten Bezirksverband Oberbayern zukommen", sagt Landeschef Pronold. "Diese Absicherung für Oberbayern auf der Liste war uns wichtig."

Europapolitik findet also auch in manchen Momenten in Hinterzimmern statt und unterliegt auch in der bayerischen SPD gewissen Regeln des Proporzes. Das weiß auch Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly, der auf Einladung seiner Partei als Hauptredner auf den Parteitag gekommen ist. Der "Oberkommunalo", wie er sich selbst bezeichnet, soll also über Europa referieren. Und Maly gelingt dies mit erstaunlicher Leidenschaft sowie kritischen und selbstkritischen Tönen. Ehe der OB aber erste Angriffe auf die Europapolitik der Kanzlerin startet, richtet auch Maly den Blick noch einmal auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin. "Herz oder Hirn. Wenn wir nur auf unser Herz hören würden, wüssten wir alle, wie wir abzustimmen haben", sagt Maly über den anstehenden Mitgliederentscheid in seiner Partei. Aber manchmal müsse auch das Hirn gehört werden.

Was ist "das Sozialdemokratische"?

Anschließend spannt Maly einen weiten Bogen von den Anfängen der Europapolitik nach dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs bis zur krisenhaften Gegenwart. Dabei wagt Maly vor allem eine nachdenkliche Betrachtung der deutschen Politik: "Wir müssen uns kritisch hinterfragen. Vor 2008 gab es noch eine latente Zustimmung zu Europa - heute verstehen die Menschen viele Entscheidungen nicht mehr." Etwa die Politik der Rettungsschirme, die - auch mit der Unterstützung der SPD - im Bundestag gegen den Willen der Mehrheit der Deutschen durchgedrückt wurde.

Mit einem Zitat Helmut Schmidts wendet sich Maly gegen die Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel: "Unsere Überschüsse sind die Defizite der anderen. Unsere Stärke sind die Schulden der anderen." Deutschland müsse wieder lernen, Solidarität und Demut zu leben, anstatt mit dem erhobenen Zeigefinger herumzulaufen - die Merkel'sche Austerität bedrohe die Demokratie und den Zusammenhalt des Kontinents. Neben der wirtschaftlichen Union müsse wieder das Soziale und Demokratische an Bedeutung gewinnen, sagt der Nürnberger OB: "Also, das Sozialdemokratische."

Ulrich Maly gelingt es, Herz und Hirn seiner Genossen anzusprechen - die Stimmung auf dem kleinen Parteitag erreicht bei seiner Rede ihren stimmungsvollen Höhepunkt. Mit einem kleinen Hinweis tritt Maly aber noch während des Schlussapplauses erneuten Spekulationen, er könnte künftig auf Landesebene eine gewichtigere Rolle spielen, entgegen: "Ich bewerbe mich um keine weiteren Mandate." Der Oberkommunalo gilt dennoch vielen als möglicher und geeigneter Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl 2018. Das zumindest dürfte das Herz der Genossen sagen.

© SZ vom 25.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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