Länderübergreifendes Abitur:Mathe-Aufgaben für sechs Bundesländer

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Erstmals bekommen Abiturienten in sechs Bundesländern in diesem Jahr nahezu identische Klausuraufgaben. (Foto: dpa)

Die Probe-Klausur missglückte aus Sicht der bayerischen Schüler - am Dienstag wird es ernst: Die Schüler im Freistaat schreiben zum ersten Mal ein länderübergreifendes Abitur im Fach Mathematik. Dennoch bekommen nicht alle dieselben Aufgaben.

Von Tina Baier, München

Pünktlich um Viertel nach fünf Uhr morgens wird Helmut Seidl am Dienstag in der Schule sein, um den versiegelten Umschlag mit den Aufgaben für das Mathe-Abitur zu öffnen. Bis neun Uhr, wenn die Abiturprüfung offiziell beginnt, muss der Schulleiter des städtischen Elsa-Brändström-Gymnasiums in München gemeinsam mit den Mathematiklehrern alle Aufgaben durchgerechnet haben. In dem Umschlag stecken zwei Varianten der Prüfung, die Lehrer dürfen die aussuchen, die ihren Schülern mutmaßlich leichter fällt. "Wir haben da manchmal lange Diskussionen", sagt Seidl. So ist es seit Jahren.

Neu ist, dass es dieses Jahr erstmals einen länderübergreifenden "Prüfungsteil A" gibt, mit Aufgaben, die nicht nur die Schüler in Bayern lösen müssen, sondern zeitgleich auch Schüler in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Hintergrund ist ein Beschluss der Konferenz der Kultusminister, demzufolge im Frühjahr 2017 Gymnasiasten aller Bundesländer im Mathe-, Deutsch-, Englisch- und Französisch-Abitur die gleichen Leistungsanforderungen erfüllen müssen.

Bayerische Schüler mit Schwierigkeiten

Das länderübergreifende Abitur soll die Abiturnoten aus verschiedenen Bundesländern vergleichbarer machen. Wichtig ist das vor allem bei der Vergabe von Studienplätzen, für die ein Numerus clausus gilt. Auch wenn wissenschaftlich nicht erwiesen ist, dass das Niveau des Abiturs in den Bundesländern unterschiedlich ist, bemängeln Bildungsforscher immer wieder, dass Abiturienten aus Ländern mit schwierigem Abitur, zu denen sich auch Bayern zählt, gegenüber Abiturienten aus Ländern mit einfacherem Abitur im Nachteil seien.

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Bei der länderübergreifenden Übungsklausur in Mathematik allerdings, die alle Zwölftklässler in den sechs beteiligten Ländern vergangenen Dezember schreiben mussten, stellte sich heraus, dass ausgerechnet die bayerischen Zwölftklässler Schwierigkeiten hatten. Das lag unter anderem daran, dass die Aufgaben ohne Hilfsmittel, also ohne Taschenrechner und Formelsammlung, gelöst werden mussten, was die bayerische Gymnasiasten nicht gewohnt sind, Schüler aus anderen Bundesländern aber schon. Die Klausur fiel derart schlecht aus, dass das Kultusministerium eingriff und den Schülern freigestellt wurde, die Note gelten zu lassen oder nicht.

Weniger Zeit mit Taschenrechner

Für das echte Mathe-Abitur dürfen sich die bayerischen Schüler dieses Jahr noch aussuchen, ob sie den länderübergreifenden Teil mit oder ohne Hilfsmittel lösen wollen. "Bei uns gibt es keinen einzigen Schüler, der auf die Hilfsmittel verzichtet", sagt Seidl. Der Schulleiter, der selbst Mathematik unterrichtet, hält es für "einen Schmarrn", von den Abiturienten zu verlangen, auf Hilfsmittel zu verzichten. Schließlich solle das Gymnasium aufs Studium vorbereiten und an der Universität käme niemand auf die Idee, plötzlich auf den Taschenrechner zu verzichten.

Auch an anderen bayerischen Gymnasium haben sich die meisten Schüler dafür entschieden, den Taschenrechner mit in die Prüfung zu nehmen, auch wenn sie dafür einen Zeitnachteil von 30 Minuten in Kauf nehmen müssen: Statt 270 Minuten haben sie für die gesamte Prüfung nur 240 Minuten Zeit. Heinz-Peter Meidinger, Chef des deutschen Philologenverbands und Schulleiter des Robert-Koch-Gymnasiums in Deggendorf, schätzt, dass bayernweit etwa 80 Prozent der Schüler die Hilfsmittel mitnehmen. "Nächstes Jahr wird es diese Wahlmöglichkeit nicht mehr geben", heißt es aus dem Kultusministerium.

Kaum Möglichkeiten des Förderns

Mit dem Schwierigkeitsgrad des länderübergreifenden Teils dürften die bayerischen Abiturienten nach Einschätzung von Max Schmidt, Chef des bayerischen Philologenverbands, keine Schwierigkeiten haben. In diesem Teil werde vor allem Grundwissen abgefragt. Nach Informationen aus dem Kultusministerium stammen die Aufgaben aus einem "Pool", mit etwa zehn Aufgaben, die alle denselben Schwierigkeitsgrad haben. Die beteiligten Bundesländer müssen mindestens vier davon für die Abiturprüfung auswählen. "Damit können sich die konkreten Aufgaben innerhalb der Bundesländer unterscheiden, allerdings ist aufgrund der Gesamtzahl der Aufgaben eine gewisse Überschneidung sichergestellt", heißt es aus dem Kultusministerium. Welche Aufgaben in den Pool kommen, entscheidet die "Expertengruppe Mathematik", in der alle beteiligten Bundesländer vertreten sind.

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Insgesamt entspreche der Schwierigkeitsgrad des Mathe-Abiturs etwa dem des Grundkurs-Abiturs im früheren G 9, sagt Schmidt. Seit Einführung des G 8 müssen alle Gymnasiasten eine Abitur-Prüfung in Mathematik schreiben. Philologen bemängeln seit längerem, dass es im G 8 kaum Möglichkeiten gebe, mathematisch besonders begabte Schüler zu fördern, wie es früher in Mathe-Leistungskursen möglich war. Ein unerwünschter Nebeneffekt des G 8 ist, dass andere naturwissenschaftliche Fächer wie Physik, Chemie und Biologie kaum noch als Abitur-Fach gewählt werden. Schüler lassen sich lieber in Fächern wie Kunst prüfen.

© SZ vom 12.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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