Korruptionsaffäre:Wolbergs' Rundumschlag

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Der suspendierte Regensburger OB gibt vor SPD-Kollegen eine Erklärung ab, die wie eine Abrechnung mit Presse, Justiz und Partei klingt. Seine Ämter lässt er ruhen, seine vollständige Rehabilitation aber will er durchsetzen

Von Andreas Glas und Wolfgang Wittl, Regensburg

Als er kommt, ist es kurz vor 19 Uhr. Mit schnellen Schritten marschiert er an den Fotografen vorbei und an den Kameramännern, die vor dem Wirtshaus auf ihn gewartet haben. "Herr Wolbergs?", fragt ein Reporter, aber Joachim Wolbergs will nicht reden. "Nee", sagt er, und marschiert weiter, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Die Untersuchungshaft hat ihn dünner gemacht, aber offenbar nicht mürbe. Er will weiter kämpfen, gegen den Korruptionsverdacht und um den Rückhalt seiner Partei. Das jedenfalls hatten die meisten SPD-Mitglieder erwartet, die an diesem Montagabend gekommen sind, um den derzeit suspendierten Regensburger Oberbürgermeister reden zu hören. Doch es kommt anders.

Um 19.15 Uhr, eine Viertelstunde nachdem er gekommen ist, verlässt Wolbergs das Wirtshaus schon wieder. Zu schnell für die Kameramänner, die nicht damit gerechnet hatten, dass dessen Auftritt so plötzlich vorbei sein würde. Er marschiert über den Hinterhof, steigt eilig in sein Auto, fährt davon. Zuvor, im Wirtshaus, hatte er den SPD-Mitgliedern mitgeteilt, dass er seine Parteiämter ruhen lässt. Er hat aufgegeben, wird hinterher jemand sagen. Aber so ganz stimmt das nicht, das kann man vielleicht auch am Kennzeichen seines Autos ablesen, das gerade den Parkplatz verlässt: R-OB 100. Als wolle er den Reportern dann doch noch ein Statement da lassen: Der OB, das bin immer noch ich.

Der Oberbürgermeister von Regensburg betritt normalerweise das Alte Rathaus über diese Steinstufen. (Foto: Stephan Rumpf)

Es ist ja erst zwei Wochen her, als Wolbergs bei einer Sitzung der Landkreis-SPD aufgetreten war, den Mitgliedern von seiner Zeit im Knast erzählte und erneut seine Unschuld beteuerte. Dass der 46-Jährige so kurz nach seiner Entlassung aus der U-Haft und trotz laufender Ermittlungen wieder an einer Parteiveranstaltung teilnahm, hatte die SPD tief gespalten. Zumal es so schien, als arbeite Wolbergs bereits an seinem politischen Comeback. Seither gab es die einen, vor allem in der Landkreis-SPD, die ihn immer noch für unschuldig halten, ihm eine zweite Chance geben wollten. Und es gab die anderen, mehrheitlich in der Stadt-SPD, bei den Jusos und im Landesvorstand, die Wolbergs' Auftritt für ziemlich dreist und parteischädigend hielten und deshalb endgültig von ihrem ehemaligen Hoffnungsträger abrückten.

Damals, bei der Sitzung der Landkreis-SPD, sollen noch Tränen geflossen sein. Nun, am Montagabend, berichtet SPD-Kreischef Rainer Hummel von einem Auftritt "ohne große Emotionen" und davon, dass der suspendierte OB einen "relativ aufgeräumten Eindruck" gemacht habe. Dabei klingt die Erklärung, die Wolbergs seinen Parteikollegen im Wirtshaus vorlas, ganz und gar nicht aufgeräumt. Die Erklärung klingt verbittert, wie eine Abrechnung. Mit der Presse, mit der Justiz, aber auch mit seiner eigenen Partei.

Die zweiseitige Erklärung, die Wolbergs mehreren Parteigremien zuschickte, liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Er spricht darin von "ehrenrührigen Verdächtigungen", "permanenten Falschmeldungen" und "bewusst gestreuten Lügen". Dann schimpft er, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft folgten "unbeirrt einer Arbeitshypothese, die es weniger zu prüfen als zu belegen gilt". Und schließlich knöpft er sich die Parteikollegen vor, von denen er erwartet habe, "dass man meine Version der Dinge gehört hätte, bevor man über mich den Stab bricht. Diese Hoffnung hat sich zwischenzeitlich leider in manchen Teilen meines Umfelds und leider auch bei einigen SPD-Funktionären zerschlagen."

Nach dem Rundumschlag gab Wolbergs bekannt, er werde seine Ämter im SPD-Landesvorstand, als Vize-Bezirksvorsitzender und als Unterbezirkschef nicht länger ausüben. "Er hat gemerkt, dass viele in der Partei nicht mehr hinter ihm stehen", sagt einer, der im Wirtshaus dabei war. Ähnlich kann man auch Wolbergs' Erklärung deuten. Darin heißt es, er wolle "Schaden für meine Partei" abwenden und verhindern, dass es zu "einer Zerreißprobe in der SPD" komme. Doch was nach politischem Abschied klingt, ist nur ein teilweiser Rückzug. Er hat seine Ämter ja nicht niedergelegt, er lässt sie nur ruhen. Und vom Oberbürgermeisteramt, das er zurzeit nicht ausüben darf, ist er ja ebenfalls nicht zurückgetreten.

Ein Rückzug auf Zeit? Darauf hofft Wolbergs offenbar immer noch. Am Montag sagte er erneut, dass die Bestechungsvorwürfe gegen ihn "unbegründet und haltlos" seien und dass er im Strafprozess seine "vollständige Rehabilitation" durchsetzen wolle. Doch bei vielen Parteikollegen scheinen die immer wiederkehrenden Unschuldsbeteuerungen gar nicht mehr anzukommen. Von einer "persönlichen Inszenierung zu Lasten der Partei", sprach etwa Stadtrat Thomas Burger, der am Montagabend mit den anderen SPD-Stadträten im selben Wirtshaus tagte, in dem Wolbergs' Auftritt angekündigt war. Kurz bevor der OB eintraf, verließ Burger das Lokal ebenso demonstrativ wie die meisten seiner Fraktionskollegen. Derweil war Regensburgs SPD-Chefin Margit Wild gar nicht erst gekommen. Und auch Landeschef Florian Pronold wollte seine Freude am Tag danach nicht verbergen: "Er lässt seine Parteiämter ruhen und strebt keine weiteren an. Das ist in unserem Sinne."

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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