Kommunalpolitik:Buchdorf will Bürgern Millionenbetrag für Straßenausbau erstatten

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Georg Vellingers Gemeinde Buchdorf verfügt über so viel Geld, dass sie sogar Beiträge zurückzahlen kann. (Foto: oh)
  • Künftig sollen die Bürger von Buchdorf nicht mehr zur Kasse gebeten werden, wenn Straßen ausgebaut werden müssen.
  • Zudem sollen sie das Geld, das sie bislang für den Ausbau zahlen mussten, zurückbekommen - rückwirkend über einen Zeitraum von 20 Jahren.
  • Bürgermeister Vellinger will das Gezahlte zurücküberweisen, sobald das rechtlich möglich ist.

Von Christian Rost, Buchdorf

Der schwärzeste Tag in der Geschichte des Ortes Buchdorf im Landkreis Donau-Ries war laut historischen Aufzeichnungen der Barnabastag im Jahr 1504. Maximilian I. ließ an jenem 11. Juni das Dorf niederbrennen. Die Buchdorfer Bauern hatten zuvor im Zusammenhang mit den Erbstreitigkeiten im Hause Wittelsbach einen kaiserlichen Boten ermordet. Womöglich hat die Abneigung der Bewohner der schwäbischen Gemeinde mit 1800 Einwohnern gegen Obrigkeiten und deren Entscheidungen die Zeit überdauert.

Bürgermeister Georg Vellinger (CSU) jedenfalls will nicht erst abwarten, was der Landtag im fernen München beschließt. In der Diskussion, ob sich die Bürger weiterhin an den Kosten für den Ausbau der Gemeindestraßen beteiligen müssen, hat er sich bereits festgelegt. Künftig sollen die Bürger dafür nicht mehr zur Kasse gebeten werden. Und sobald es rechtlich möglich ist, sollen die Buchdorfer das Geld, das sie bislang für den Ausbau zahlen mussten, zurückbekommen - rückwirkend über einen Zeitraum von 20 Jahren.

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In der Gemeinde auf der Jurahöhe, die an der Grenze zwischen alemannischem Dialekt und Bairisch liegt, wurden seit den Neunzigerjahren 17 Straßen ausgebaut und abgerechnet. Dies bedeutete für Grundstücksbesitzer, dass sie, wie vielerorts in Bayern, teils erhebliche Beträge zum Straßenausbau aus eigener Tasche beisteuern mussten. 16 000 Euro zahlte der größte Grundbesitzer in Buchdorf, Eigentümer eines 1000 Quadratmeter großen Grundstücks mussten mit einer Rechnung von rund 4400 Euro rechnen.

Für viele Häuslebauer, die ihre Darlehen bei der Bank abstottern müssen, ist auch das ein Betrag, den sie nicht so einfach aufbringen können. In der Gemeinde, berichtet Bürgermeister Vellinger, seien nun knapp 80 Prozent des Ausbaus erledigt. Fünf Straßen fehlten noch. Er empfinde es deshalb als ungerecht, wenn die übrigen 20 Prozent von einer neuen Regelung profitierten, die keine Beiträge mehr von den Grundeigentümern vorsieht. Erst im vergangenen Jahr sind 27 Bauplätze verkauft worden, die Erwerber werden vermutlich nicht mehr für die Kosten zum Straßenausbau herangezogen.

Der 64-jährige Vellinger, seit 1990 hauptberuflich im Amt und vier Mal wiedergewählt, sagt, dass sich die bisherige Kostenbeteiligung beim Straßenausbau eigentlich bewährt habe. "Klar, niemand zahlt gerne. Aber wir haben das immer ohne größere Probleme hingekriegt." In den vergangenen Jahren habe es im Ort lediglich eine Klage gegen die Gebühren gegeben. Und niemand sei aufgrund der Forderung derart in Not geraten, dass der Gerichtsvollzieher gerufen werden musste.

Bislang ist die Rechnung immer gezahlt worden

Die Gemeinde bot den Grundbesitzern auch Ratenzahlung an. Der Rechnungsbetrag konnte in drei Raten, in Notlagen auch in fünf Raten abgestottert werden. Das System funktionierte offenbar, weshalb Vellinger auf die Frage, ob er eine Abschaffung der Bürgerbeteiligung beim Straßenausbau begrüße, mit "Jein" antwortet. Denn das Geschenk, das die Gemeinde nun in einem "Akt der Gerechtigkeit" den Bürgern machen will, kostet richtig viel Geld: 1,75 Millionen Euro.

So viel müsste die Kommune aufbringen, wenn sie den Haus- und Grundbesitzern tatsächlich die Beiträge der vergangenen 20 Jahre zurückzahlt. Andere Orte dieser Größenordnung könnten diesen Kraftakt wohl nicht stemmen. Doch Vellinger gibt sich selbstbewusst und sagt: "Wir sind wirtschaftsstark." Bei der Steuerumlagekraft im Landkreis Donau-Ries liegt Buchdorf auf dem ersten Platz. Bayernweit rangiert die kleine Gemeinde immerhin noch auf Platz 27. Sie ist in der Lage, mal eben 1,7 Millionen Euro für den Ausbau der Kläranlage aus dem Haushalt zu bezahlen, ohne dafür einen Kredit aufnehmen zu müssen.

Sie kann auch Familien Bauplätze zum Preis von 65 bis 70 Euro je Quadratmeter anbieten, und die Kinderbetreuungskosten liegen monatlich bei traumhaften 100 Euro. "Von der Krippe bis zum Hort", wie der Bürgermeister betont. Ganz nebenbei plant die Gemeinde einen neuen Dorfplatz auf 12 000 Quadratmetern. Dorfladen, Rathaus, Bank, Arztpraxen - alles wird neu gestaltet. Deshalb kann man den Bürgern auch beim Straßenausbau Geschenke machen. In Buchdorf ist das möglich, weil der Ort ein "starkes Gewerbe hat", wie der Bürgermeister sagt. 650 Arbeitsplätze gibt es, allein 250 bei der Filiale eines US-amerikanischen Unternehmens, das Mobilfunkantennen-Verstärker herstellt. Die Steuerkraft pro Einwohner lag 2017 bei gut 4500 Euro.

Die Freien Wähler suchen das Haar in der Suppe

Die Befreiung von Straßenausbaugebühren haben - wie im Landtag auch - in Buchdorf die Freien Wähler auf die Tagesordnung gebracht. Bereits 2015 beantragten die Parteifreien im Gemeinderat, in dem die CSU über die Hälfte der zwölf Sitze verfügt, die Bürger zu entlasten. Das Gremium lehnte das ab. Inzwischen hat sich die CSU das Thema zu eigen gemacht - in Buchdorf wie auf Landesebene - und will damit punkten.

Die Freien Wähler reagieren darauf auch in der schwäbischen Gemeinde allergisch. Nachdem Vellinger beim Neujahrsempfang überraschend seine Pläne bekannt gegeben hatte, suchten die Parteifreien das Haar in der Suppe: Weil viele Gemeinderäte von der Rückzahlung profitieren würden, seien sie befangen. Deshalb könne der Gemeinderat darüber nicht entscheiden.

© SZ vom 01.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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