Klosterschule:Ettaler Jungen-Internat nimmt jetzt auch Mädchen auf

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  • Das Ettaler Klosterinternat öffnet seine Pforten nun auch für Mädchen.
  • Derzeit leben hier 60 Schüler, die teils auch aus Ländern wie Mexiko herkommen.
  • Nach dem Missbrauchsskandal war die Zahl der Internatsschüler deutlich zurück gegangen.

Von Matthias Köpf, Ettal

Frater Gregor hat sich natürlich gefreut, aber ein bisschen gewundert hat er sich in den vergangenen Wochen schon auch. Denn so früh wie dieses Jahr hatten schon lang keine Eltern mehr mit ihm über freie Plätze im Internat der Ettaler Benediktiner sprechen wollen. Aber dass diesmal auch einige Eltern für ihre Töchter angefragt haben, das habe ihn schon stutzig gemacht, sagt der Internatsleiter.

Erst im Gespräch mit der Sekretärin habe er dann erfahren, dass es diese Anfragen immer schon gegeben hat. Nur habe man diese Eltern einfach nie zu ihm geschickt, sondern immer gleich an andere Internate verwiesen. Vom kommenden Schuljahr an wird nun aber auch in Ettal einiges anders: Dann werden Mädchen nicht mehr nur am Gymnasium der Benediktiner ihr Abitur machen, sondern erstmals auch im Internat wohnen können.

Nach dem Missbrauchsskandal sank die Zahl der Internatsschüler

Das Klosterinternat kann jedes Mädchen gut gebrauchen, denn im Schuljahr 2014/15 wollte dort kein einziger neuer Fünfklässler mehr einziehen. Zum laufende Schuljahr waren es auch nur drei. Doch der wirkliche Tiefpunkt lag da schon viel länger zurück: Im Jahr 2010 waren viele Fälle von Missbrauch und schweren Misshandlungen hinter den Ettaler Klostermauern öffentlich bekannt geworden.

Die Debatte hatte bei den teils schwer traumatisierten und seelisch für ein Leben lang gezeichneten Opfern vieles wieder aufgewühlt, aber auch die Schule, das Internat und das ganze Kloster schwer gebeutelt, und Frater Gregor will nicht leugnen, dass der Rückgang bei den Internatsschülern wohl auch damit etwas zu tun hat. Grundsätzlich gebe es diesen Rückgang aber in allen Internaten, sagt er, und zwar schon seit mindestens zehn Jahren, in kirchlichen Einrichtungen genauso wie in säkularen. Allerorten werden Ganztagsschulen geschaffen, und Eltern haben immer mehr andere Betreuungsmöglichkeiten als Internate.

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Ganz eindeutig zeigt sich für Frater Gregor Beilhack allerorten aber auch der Trend zum Mittel- und Oberstufeninternat: Die Eltern wollten ihre Kinder nicht mehr mit zehn Jahren zur fünften Klasse ins Internat schicken, sondern lieber ein paar Jahre später. Von der achten Klasse an seien die Anmeldungen konstant und auch erfreulich zahlreich, sagt der Ettaler Internatsleiter.

Unter seiner Obhut und der seiner sieben Mitarbeiter leben derzeit 60 Schüler, nur sieben von ihnen sind Unterstufler aus den fünften bis siebten Klassen. Platz wäre für insgesamt 80, denn die Zeiten der Schlafsäle, als noch weit mehr als 100 Buben in Ettal lagen und litten, sind lange vorbei.

Die Schüler kommen aus Frankfurt, Berlin oder sogar Mexiko

Mehr als drei Schüler pro Zimmer sollen es nicht mehr sein, von der Zehnten an gibt es nur noch Einzelzimmer. Ins Ettaler Gymnasium gehen 305 Schüler. Darunter sind seit Jahrzehnten ganz selbstverständlich auch Mädchen, ihr Anteil wird immer größer und liegt laut Frater Gregor schon fast bei der Hälfte. Ähnlich ist es im Tagesheim, aber da fahren die Schüler und die Schülerinnen abends nach Hause.

Die 60 Schüler, die im Internat schlafen, sind bisher eben nur Buben, doch beim pädagogischen Personal gibt es längst Frauen. Derzeit sind es drei, genau so viele wie Klosterbrüder. Manche Internatsschüler fahren am Samstagabend heim und kommen am Sonntagabend oder Montagfrüh wieder, denn in Ettal wird an sechs Tagen unterrichtet. Viele bleiben aber auch die ganze Woche über - gerade Schüler aus Frankfurt, Berlin oder gar aus Mexiko, wie es sie in Ettal auch gibt.

Denn die humanistisch-neusprachliche Schule und das Internat haben immer noch den Ruf, viele Wege zu ebnen. Zahlreiche Absolventen haben es - bei oft guten Startbedingungen - weit gebracht, das Netzwerk der Ehemaligen ist dicht. Das alles gibt es nicht ganz umsonst: 40 Euro Schulgeld pro Monat sind kirchlicher Standard, das Internat kostet weitere 1150 Euro, alles inklusive.

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Dass innerhalb der Klostermauern nun auch Mädchen leben sollen, nennt Frater Gregor "eigentlich eine pädagogische Entscheidung", die intern schon seit mindestens zehn Jahren diskutiert werde. Denn die getrennte Erziehung von Buben und Mädchen hält auch der Benediktinermönch Gregor Beilhack für längst nicht mehr zeitgemäß.

Er selbst habe im Sommer zwei Wochen in St. Blasien im Schwarzwald verbracht und sei sehr beeindruckt vom dortigen Zusammenleben. In Bayern kenne er sonst nur noch zwei größere kirchliche Knabeninternate, nämlich St. Michael in Traunstein und die Regensburger Domspatzen. Dass die neu aufgerollten Regensburger Missbrauchs- und Misshandlungsfälle zusätzlichen Druck für Ettal brächten, könne er nicht erkennen, sagt Frater Gregor.

Für das Leben der Mönche endet sich wenig

Er ist mit seinen 40 Jahren einer der jüngeren unter den immer noch 40 Ettaler Benediktinern. Entscheiden musste über die Neuerung der gesamte Konvent, und der Internatsleiter zeigt sich "sehr beeindruckt von den Mitbrüdern, wie klar die Botschaft war: Macht's das jetzt". Für das Leben der Mönche, von denen acht als Lehrer unterrichten, werde sich trotz der Bedeutung dieses Schritts für Ettal wenig ändern.

Denn der Trakt im Internat, der ohnehin als letzter zur Sanierung ansteht und im Sommer auf die Bedürfnisse von Mädchen eingerichtet werden soll, liegt wie der Jungentrakt weitab vom Klausurbereich der Mönche. Auch diese bauliche Gegebenheit habe dazu beigetragen, jetzt erstmals Mädchen aufzunehmen.

Und so lange ist die Tradition von Ettal als Knaben-Internat auch wieder nicht: Das gibt es in der jetzigen Form seit der Kloster-Neugründung im Jahr 1900. Zwischen dem Spätbarock mit seiner Ritterschule für junge adlige Knaben und der Aufhebung des Klosters mit der Säkularisierung 1803 habe es wohl eine Art Dorfschule für das Ammertal gegeben, sagt Frater Gregor. Und die hätten damals wohl sowieso auch Mädchen besucht.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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