Ingolstadt:Sorge um die Intimsphäre

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Franziska-Prozess: Anwalt lässt Öffentlichkeit ausschließen

Schuldfähig oder nicht? Auf diese Einschätzung durch ein psychiatrisches Gutachten hatten die Prozessteilnehmer den ganzen Tag gewartet. Es ist eine der entscheidenden Fragen, die im Prozess um den Sexualmord an der zwölfjährigen Franziska noch offen sind. Am Montagnachmittag entschied das Landgericht Ingolstadt, die Öffentlichkeit bei der psychiatrischen Begutachtung des Angeklagten auszuschließen. Der Verteidiger Adam Ahmed hatte dies zum "Persönlichkeitsschutz" seines Mandanten gefordert, da es im Gutachten des Psychiaters Friedemann Pfäfflin auch um "Einblicke in den Intimbereich des Angeklagten" gehe. Sein Antrag wurde bewilligt - auch wenn der Vorsitzende Richter Jochen Blösl eine andere Begründung anführte: Es gehe darum, die "Intimsphäre der Opfer" zu schützen.

Zuvor beleuchteten Auszüge aus Gerichtsurteilen, die den Angeklagten betrafen, einmal mehr dessen Persönlichkeit. Von 2004 bis 2014 musste sich Stefan B. insgesamt neun Mal vor Gericht verantworten. Mehrfach trug Blösl aus den Urteilsverkündungen vor, dass der Angeklagte unter der plötzliche Trennung seiner Eltern im Jahr 2001 sehr gelitten habe. Seinen Vater, der den Sohn mitunter geschlagen hatte, habe Stefan B. jedoch nie "als männliches Vorbild" gesehen. Innerhalb der Familie habe er stets die "Rolle des Sündenbocks" innegehabt, während die ältere Schwester als "Prinzessin" bevorzugt worden sei. 2004 beendete Stefan B. die Hauptschule ohne Qualifikation, eine Bäckerlehre, die er darauf anfing, brach er eineinhalb Jahre später ab. In den folgenden Jahren wurde der Angeklagte wiederholt wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Körperverletzung, unerlaubten Waffenbesitzes und Kinderpornografie angeklagt. In dieser Zeit war der Angeklagte mehrfach in Haft, die meiste Zeit arbeitslos.

Seit dem 9. Februar muss sich der 27-Jährige für den Mord an Franziska und weiterer Sexualvergehen an Minderjährigen vor dem Landgericht in Ingolstadt verantworten. Das psychiatrische Gutachten Pfäfflins spielt eine zentrale Rolle in der Urteilsfindung. Das Urteil soll am 11. Mai verkündet werden.

© SZ vom 28.04.2015 / sobu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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