Höfesterben:Kaum Kraut gewachsen

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In Merkendorf gibt es das Kraut direkt vom Hof. Aber richtig viel davon baut nur noch ein Landwirt an. (Foto: Katja Auer)

Nur noch wenige Bauern bauen in Merkendorf das Gemüse an

Als Hans Popp ein kleiner Bub war, hat sein Vater manchmal den Beifahrersitz aus seinem Käfer gebaut und stattdessen Krautköpfe eingeladen und an die Kunden ausgeliefert. Das war in den 1960er Jahren, damals gab es noch eine Menge Krautbauern in Merkendorf. Heute nennt sich das Städtchen im Landkreis Ansbach zwar sogar auf einem braunen Autobahnschild noch Krautstadt, aber dabei geht es Popp eher um das Stadtmarketing. Seit 2002 ist er Bürgermeister von Merkendorf und macht eifrig Werbung mit dem Kraut. Vor dem Rathaus seht ein Krautbrunnen, gerade ist die Krautwoche zu Ende gegangen, jedes Wirtshaus hat Kraut auf der Speisekarte, es gibt ein Merkendorfer Krautkochbuch und wenn es etwas zu feiern gibt, darf die Krautkönigin nicht fehlen. Auch wenn es nur noch eine Handvoll Landwirte gibt, die das Gemüse anbauen und vermarkten. Auf drei bis vier Hektar werde noch Kraut angebaut, sagt Popp, also auf einer Fläche von ungefähr fünf Fußballfeldern. Früher waren es einmal 220 Hektar rund um Merkendorf.

Die Tradition geht weit zurück bis ins 18. Jahrhundert. Damals lieferten die Bauern ihr Kraut zu den Markgrafen nach Ansbach und später zum Bahnhof in Triesdorf, von wo aus das Gemüse zu den großen Sauerkrautfabriken im ganzen Land gebracht wurde. Bis zu viertausend Zentner wurden dort an manchen Tagen verladen. Doch vor 30, 40 Jahren begann auch in Merkendorf das Höfesterben, viele Landwirte gaben auf. Viele hätten sich "vom Krautwirt zum Energiewirt" entwickelt, sagt Popp, der in seiner Gemeinde auf erneuerbare Energien setzt. Dort verdienen die Bauern nun mit Fotovoltaikanlagen und Biogas ihr Geld. Oder mit Urlaub auf dem Bauernhof.

Jürgen Reuter dagegen baut weiter Kraut an, er ist der letzte große Krautbauer in der Gegend. Bis zu 70 000 Köpfe erntet er im Jahr auf seinen 2,2 Hektar, schätzt er. Alle in Handarbeit. Jeder Krautkopf muss mit dem Messer abgeschnitten werden, das macht der 41-Jährige zusammen mit seinen Eltern. "Schon immer" sei auf dem Hof in Heglau Kraut angebaut worden, sagt er, nun macht er allerdings auch Sauerkraut daraus. Die Trockenheit in diesem Jahr hat seinen Krautköpfen nicht gut getan, sagt er, er habe viel gießen müssen, aber so ist das eben. "Von nix kommt nix", sagt er, fränkisch-pragmatisch, beschweren wolle er sich nicht. Früher war er Automechaniker, aber dann ist er auf den elterlichen Bauernhof zurückgekehrt. Er hat eine Sauerkrautfabrik übernommen, damit ist er der einzige in der Gegend, und die Kunden können im Hofladen einkaufen. Zwei Drittel seines Ertrags werden zu Sauerkraut verarbeitet, aber er baut auch Spitzkohl und Wirsing an, Blaukraut und neuerdings spitzes Blaukraut. Und wenn Krautfest ist, immer am dritten Sonntag im September, dann setzt er noch mehr Trends. Nicht nur Krautwickel und Suppe und Schupfnudeln mit Kraut. Sondern auch Krauteis und Krautpralinen. Schmeckt echt, sagt Jürgen Reuter.

© SZ vom 29.09.2015 / kaa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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