Madonnenbild in Augsburg:Wie Maria Knotenlöserin den Papst berührt

Lesezeit: 3 min

Dieses Madonnenbild aus der Augsburger Kirche am Perlach ist dank Papst Bergoglio heute in ganz Lateinamerika bekannt. (Foto: Puchner/dpa)
  • In der Augsburger Kirche St. Peter hängt ein Gemälde, das den Papst berührt hat: Maria Knotenlöserin, ein Gnadenbild aus dem frühen 18. Jahrhundert.
  • Sie ist das diesjährige Ziel der Patrona-Bavariae-Wallfahrt, bei der jedes Jahr ein anderes Marienbildnis in Bayern angesteuert wird.
  • Am Samstag werden an der kleinen Kirche bis zu 10 000 Pilger erwartet.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Was genau der argentinische Pater Jorge Mario Bergoglio beim Anblick der jungen Dame in der Augsburger Innenstadt dachte, ist leider nicht bekannt. Er muss jedenfalls sehr, sehr angetan gewesen sein. Die Frau hält in ihren feingliedrigen Händen ein helles Band voller Knoten. Mit geneigtem Kopf und sanftem Lächeln scheint sie eine Schleife nach der anderen aufzuschnüren. Maria Knotenlöserin. Das Gnadenbild aus dem frühen 18. Jahrhundert hängt in der Augsburger Kirche St. Peter am Perlach.

Bergoglio sah dieses Bild erstmals im Jahre 1986. Er nahm einen dicken Stoß Andachtsbildchen mit und verteilte sie in Buenos Aires unter seinen Mitbrüdern. Heute, fast 30 Jahre später, ist Bergoglio als Papst Franziskus weltbekannt. Und die Knotenlöserin wird in Argentinien verehrt, eine Kopie des Augsburger Gemäldes lockt in Buenos Aires Jahr für Jahr Tausende Wallfahrer an.

Unter bayerischen Wallfahrern spielte das Augsburger Gnadenbild bislang eher eine untergeordnete Rolle. Dies wird sich vom kommenden Samstag an ändern: Am 9. Mai werden an der kleinen Kirche bis zu 10 000 Pilger erwartet. Sie ist das diesjährige Ziel der Patrona-Bavariae-Wallfahrt, bei der jedes Jahr ein anderes Marienbildnis in Bayern angesteuert wird.

Warum der Papst nach Augsburg kam

Maria als Knotenlöserin? In der Bibel sucht man das Motiv vergeblich. In Augsburg steht sie gut versteckt in einer Kirche, die im Schatten des prächtigen Rathauses und des Perlachturms meist übersehen wird. Deutsche Touristen lassen Sankt Peter am Perlach meist links liegen. Aber südamerikanische Besucher suchen das Gotteshaus so lange, bis sie den schmalen Eingang zwischen Schmuckgeschäft und Gastwirtschaft gefunden haben. Dort hängt das Gemälde über einem Seitenaltar. Es ist ein ungewöhnliches, aber ergreifendes Motiv.

"Liebe Knotenlöserin", schreibt eine Gläubige in dem dicken Gästebuch. "Bei mir ist alles verknotet, bitte löse das und mach' mich frei."

Der heutige Papst Franziskus war 1986 zu einem Studienaufenthalt bei der Frankfurter Jesuitenhochschule Sankt Georgen. Von dort besuchte er die Jesuiten in Augsburg. Sein Abstecher blieb nicht ohne Folgen: Wenige Jahre später fertigte eine argentinische Kunstmalerin eine Kopie des Augsburger Gnadenbildes an, es hängt seit 1996 in der Kirche San José del Talar. Heute verehren viele Menschen in Lateinamerika die Muttergottes in dieser Darstellung. Der Achte jeden Monats gilt in Argentinien als Tag der Jungfrau, die die Knoten löst (Virgen que desata los nudos). Es gibt auch ein Kloster, das nach der Knotenlöserin benannt ist. Es heißt, Wallfahrer hätten drei Wünsche frei.

Wie das Gemälde entstand

Vor allem bei Beziehungsproblemen und auch bei Krebserkrankungen wird die Mutter Gottes als Fürsprecherin angerufen. Sie soll den Konflikt entwirren, den entstandenen Knoten lösen. "Sie hilft dabei mit großem Einfühlungsvermögen", sagt der Augsburger Domdekan Bertram Meier, "und nicht mit brutaler Gewalt, wie Alexander der Große beim Gordischen Knoten."

Das Gemälde, das Pater Bergoglio seinerzeit in Augsburg so zu Herzen ging, wurde um 1700 gemalt. Johann Georg Melchior Schmidtner (1625-1707) soll es im Auftrag des Patriziers Hieronimus Ambrosius Langenmantel geschaffen haben. Der Legende nach wollte sich Langenmantel damit bei Maria bedanken, dass sie zuvor seine Eheprobleme gelöst hatte. Oder die seines Großvaters.

Wie es genau so kam, weiß heute niemand mehr. Das gilt auch für die Popularität der Knotenlöserin in Südamerika. "Die Menschen in Lateinamerika sind empfänglich für dieses Bildnis", sagt der Augsburger Domdekan Bertram Meier. Er betont, dass die Schwestern des Augsburger Klosters Maria Stern bereits vor Bergoglio ein Bild der Knotenlöserin nach Brasilien gebracht hatten.

Was für die Patrona-Bavariae-Wallfahrt geplant ist

Richtig populär wurde das Motiv allerdings erst durch den späteren Papst. Nach seiner Berufung zum Heiligen Vater sprach er in einer Maiandacht über die Madonna dei Nodi. In seinem Audienzzimmer im Gästehaus Santa Marta in Rom hängt ebenfalls eine Kopie des Augsburger Bildnisses.

Und jetzt rückt erstmals das Augsburger Original in den Mittelpunkt einer größeren Öffentlichkeit. "Wir wollen ein großes Familienglaubensfest feiern", sagt Domdekan Meier vor der Patrona-Bavariae-Wallfahrt am Samstag. "Wir haben bewusst keinen klassischen Wallfahrtsort gewählt, wir gehen in die City." Auf dem Rathausplatz und drum herum wird eine Art Stadtfest steigen mit Musik und Programm für Familien, Kinder und Jugendliche. Am Nachmittag findet im Dom ein Pontifikalamt mit allen Bischöfen Bayerns statt. Anschließend zieht eine Prozession zu St. Peter am Perlach.

Die Patrona-Bavariae-Wallfahrt erinnert an die Erhebung Marias zur bayerischen Patronin anno 1917. Seit 2011 wird jedes Jahr in eine andere bayerische Diözese gepilgert. 2016 ist Ingolstadt an der Reihe. 2017 - zum 100. Jahrestag - folgt der Höhepunkt und Abschluss an der Mariensäule auf dem Münchner Marienplatz.

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: