Grünen-Politiker in Landsberg attackiert:"Ein Zivilpolizist hat eingegriffen - aber nicht gegen die Neonazis"

Bei einer Neonazi-Kundgebung in Landsberg entrollt der Grünen-Politiker Ludwig Hartmann ein Gegentransparent. Da gehen Rechtsextreme auf ihn los, einer schlägt mit der Faust zu. Aber auch gegen die Polizei erhebt Hartmann Vorwürfe.

Christian Sebald

Samstagmittag in Landsberg. Nach einer Neonazi-Kundgebung auf dem Stadtplatz entrollen der Grünen-Landtagsabgeordnete Ludwig Hartmann und einige Mitstreiter des Landsberger "Bündnisses gegen Rechts" ein Transparent mit der Aufschrift: "Landsberg-Stadt hat Nazis satt." Da geht ein Pulk schwarzgewandeter Rechtsextremer auf die Gegendemonstranten zu, einer schlägt Hartmann von links mit der Faust gegen den Hals. Der Grünen-Politiker erleidet eine Platzwunde.

Ludwig Hartmann

Ludwig Hartmann, 34, ist Landtagsabgeordneter der Grünen. Überregional bekannt wurde als Gegner der Olympiabewerbung Münchens. Bei der Kommunalwahl 2012 verpasste er knapp den Einzug als Bürgermeister ins Landsberger Rathaus.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

SZ: Was haben Sie gefühlt, als die Neonazis auf Sie zu sind?

Ludwig Hartmann: Panik. Wir haben ja nicht damit gerechnet, dass sie auf uns losgehen. Es gab in der Vergangenheit schon zwei NPD-Kundgebungen bei uns in Landsberg. Nach deren Ende haben sich die Neonazis alsbald zerstreut und sind ihrer Wege gegangen. Diesmal war es anders. Sie sind auf dem Stadtplatz geblieben. Es waren jede Menge Leute in der Stadt, auch Touristen. Deshalb wollten wir den Neonazis nicht den Platz überlassen. Wir haben auf unseren Trillerpfeifen gepfiffen und unser Transparent entrollt.

SZ: Und dann hat einer auf Sie eingeprügelt.

Hartmann: Ja, es gab ein Gerangel, dann habe ich plötzlich von schräg hinten den Faustschlag gegen den Hals bekommen.

SZ: Hatten Sie starke Schmerzen?

Hartmann: Nein, die Überraschung war schlimmer. Dass die sich das trauen. Da waren Polizisten auf dem Platz, in Uniform und in Zivil.

SZ: Hat Ihnen keiner geholfen?

Hartmann: Das ist es ja. Ein Zivilpolizist hat eingegriffen. Aber nicht gegen die Neonazis. Der hat uns das Transparent weggenommen. Seine Begründung: Er wollte die Lage entschärfen. Das muss man sich vorstellen: Da nehmen wir unser Recht auf eine Gegendemonstration gegen Neonazis wahr. Und dann nimmt uns ein Zivilpolizist, der sich nicht einmal ausweist, das Transparent weg. Statt dass er uns vor den Neonazis schützt, das war ein rechtswidriger Angriff gegen unsere Versammlungsfreiheit. Ein inakzeptables Vorgehen. Wir Gegendemonstranten waren lauter stadtbekannte Leute, Stadträte, Kreisräte, von der evangelischen Gemeinde.

SZ: War die Neonazi-Kundgebung überhaupt genehmigt?

Hartmann: Sie war genehmigt, aber entgegen der bisherigen Praxis hat das Landratsamt sie nicht bekannt gemacht. Das finde ich skandalös. Wir haben nur zufällig von der Kundgebung erfahren. Unsere Demo war eine spontane Gegenaktion. Deswegen konnten wir auch nicht so viele Leute mobilisieren. Bei den Neonazi-Aufmärschen der Vergangenheit waren bis zu 2000 Gegendemonstranten hier. Das war ein machtvolles Zeichen, dass wir in Landsberg keine Neonazis wollen.

SZ: Warum hat das Landratsamt die Kundgebung nicht öffentlich gemacht?

Hartmann: Ich weiß es nicht. Ich habe Landrat Walter Eichner schon geschrieben und meinen Unmut zum Ausdruck gebracht. Ich hoffe, dass das nicht die neue bayerische Linie ist. Die Neonazis sind am Samstag weiter zu Kundgebungen nach Augsburg und Bobingen gezogen. In beiden Kommunen war ebenfalls vorab nichts davon bekannt. Womöglich hat das Innenministerium die Behörden angewiesen, die Aufmärsche nicht öffentlich zu machen. Dabei ist Totschweigen der völlig falsche Umgang mit den Nazis. Innenminister Herrmann muss Stellung beziehen.

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