Geld oder Liebe:"Suche Einheirat"

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Liebesschlösser sind eine eher neumodische Art, das gemeinsame Glück zu präsentieren. (Foto: Manfred Neubauer)

Die klassische Kontaktanzeige lebt trotz Internet weiter

Von Ulrike Schuster, München

Wer den Wut-Sprech der Straße satt hat, wer freundliche Worte sucht, muss sich auf die Seite "Er sucht Sie" und "Sie sucht Ihn" blättern. In dieser Zeitung möglich, nächste Chance am Samstag. Zuletzt las man da "Hbf. Hannover, 5.9.2017, 10.30 Uhr, Gleis 12 - Und wer waren wir?" Wow. Es wäre ein Wunder. Andererseits, die Kontaktanzeige ist ein Wunder. Dass es sie noch gibt. Facebook hat sie nicht gelöscht, Tinder nicht weggewischt, Elitepartner hat's nicht besser gewusst.

Auch die realen Feinde kriegen sie nicht tot. 10 000 Unterschriften hatte der katholische Frauenbund in Passau 2004 gegen sie gesammelt, die Vorsitzende forderte "Verbieten!", sah hinter der "Kuscheligen Löwin" die Zwangsprostituierte versteckt und fürchtete um die Würde der Frauen. Die Anzeigen-Chefin der Passauer Neuen Presse fürchtete ohne Anzeigengeschäft um Arbeitsplätze.

Dabei hätte der Frauenbund Verständnis haben können, schließlich hat die Kontaktanzeige spätestens seit 1920 bestimmt den Segen des Herrn. Damals schaltete ein "Niederer Staatsbeamter, kath., 43 J., pensionsberechtigt" im Altöttinger Liebfrauenboten sein Gesuch nach dem "gut kath. Mädchen". Karl Ratzinger fand seine Maria Peintner. Sie schenkten Deutschland den Papst. Ohne Anzeige kein Benedikt. Ein Indiz darauf, welche Sorte Mensch hinter dem Liebesbriefchen steckt: die Gläubigen; verzichten freiwillig auf Foto, Textlänge und Filter und begehren den Zufall.

In der SZ suchte jüngst das "Bayerische Original", ein Positivdenker, "vorzeigbar, tanzfreudig", genauso wie der "realistische Idealist" aus der Oberpfalz, "weder Alpha noch Softie" mit "Herz und Hirn intakt"; bei den Frauen warb die "bayerische Lady" mit dem Domizil am Gardasee, die attraktive Fränkin mit der Sonne im Herzen, wie auch der "Michelle-Pfeiffer-Typ", mit "optisch unsichtbaren 56" aus Schwaben.

Jeder hat "die Hauptrolle" in seinem Leben "zu vergeben", um zu zweit das Drehbuch zu schreiben. Jeder sucht nach dem Partner, mit dem er "Hand in Hand gehen" kann, um "ganz verrückte Dinge" zu tun. Er sucht die Traumfrau mit "Laufschuhen und High Heels", sie den Traummann, "stark und weich" ("aber nur noch bis zum 14.2., dann ist Valentinstag", schreibt der "Münchner mit Humor"). Sie wollen den einen für alles. Der Bauer ist bescheidener. Er weiß genau, was er will: "Suche Einheirat." So schrieb das Landwirt Michael Kuhn, 31, aus Triesdorf im Bayerischen landwirtschaftlichen Wochenblatt. Das ist grad heraus, aber für "Rumpalavern" sei in einer Anzeige auch kein Platz, sagt er. Alles, was er sich wünsche, stecke in den zwei Worten: einen schönen großen Hof, mit Tieren, einem Acker zum Pflanzen, dazu ein liebes Mädchen. Überhaupt ginge es doch nicht um die große Liebe, sagt er, sondern darum, nicht alleine zu sein. Dann könnte sie doch eigentlich eine geruhsame Sache sein, die Liebe.

Sechs Mal hat er das Inserat bis heute geschaltet. Sechs Mädchen haben "Arsch offen?" geantwortet, - fasst er so zusammen. Mit dem siebten Mädchen kam es kürzlich zum Treffen. Er besuchte sie in der Oberpfalz, "prächtige Kühe" hatte die. Bloß, Mutter Margarete hatte mehr Interesse als die "fesche" Tochter. Er sagte noch zu ihr "gib dir doch nen Ruck", den gab sie sich nicht.

Michael Kuhn ist ernüchtert, hat Bayern verlassen, wohnt jetzt in Hessen, ein kranker Landwirt holte ihn zur Unterstützung zu sich. Dort habe er zwar kein Mädchen, dafür aber Kühe. Im hessischen Landwirtschaftsblatt will er Frau und Glück mit der Frage: "Soll es das gewesen sein?" demnächst noch einmal herausfordern.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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