Gehälteraffäre im Landtag:Rechnungshof durchleuchtet Abgeordnete

CSU-Vorstandssitzung

Georg Schmid ist im Zuge der Gehälteraffäre von seinem Posten als CSU-Fraktionsvorsitzender zurückgetreten. 

(Foto: dpa)

Die Politik schafft es nicht, die Krise des bayerischen Parlaments zu bewältigen. Deshalb schlägt jetzt die Stunde der Ermittler. Doch das Verfahren durch den Obersten Rechnungshof birgt gewaltige Sprengkraft. Und Ministerpräsident Seehofer muss sich auf böse Überraschungen einstellen.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Die Politik schafft es offenkundig nicht mehr, die Krise des bayerischen Parlaments zu bewältigen - nun schlägt die Stunde der Ermittler. Von der Justiz und vor allem vom Obersten Rechnungshof (ORH) wird nun eine Klärung der vielfältigen Vorwürfe erwartet, denen viele jetzige und frühere Abgeordnete des Landtags bis hinauf in die Staatsregierung ausgesetzt sind.

Der Rechnungshof will schon in der kommenden Woche mit einem sogenannten "Eröffnungsgespräch" bei Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) mit der Aufarbeitung beginnen. Zugleich kann die Augsburger Staatsanwaltschaft nun offiziell gegen den früheren CSU-Fraktionschef Georg Schmid ermitteln. Der Landtag ließ seine Einspruchsfrist gegen einen Antrag der Justiz verstreichen, damit ist Schmids Immunität nun aufgehoben.

Nun muss sich Ministerpräsident Horst Seehofer darauf einstellen, dass der Rechnungshof auch während der heißen Wahlkampfphase die Materie am Kochen hält. Es soll zwar schnell geprüft werden, der ORH will sich aber nicht darauf festlegen, ob er das Verfahren vor der Sommerpause abschließt oder erst zur oder nach der Landtagswahl im September. In jedem Fall dürfte das öffentliche Interesse an dem Verfahren beispiellos sein.

Die keinerlei Weisungen unterworfenen Prüfer hatten sich nach einer kurzen internen Debatte auf eine Prüfung der kompletten Abgeordnetenfinanzierung verständigt. Das birgt erhebliche Sprengkraft. Denn damit steht nicht nur die umstrittene Finanzierung von Abgeordneten-Mitarbeitern auf dem Prüfstand, sondern auch die sogenannte Kostenpauschale. Jeder Abgeordnete bekommt für Spesen, Büroausgaben und ähnliches steuerfrei 3200 Euro monatlich, ohne Details nachweisen zu müssen und unabhängig davon, ob er das Geld auch verbraucht.

Darüber gab es nun auch einen neuen Disput zwischen Landtagspräsidentin Stamm und dem Parteienkritiker Hans-Herbert von Arnim. Dieser hält die Pauschale für verfassungswidrig. Stamm kontert, das Bundesverfassungsgericht habe die Rechtmäßigkeit vor drei Jahren bestätigt. Arnim verweist dagegen darauf, Karlsruhe habe damals eine Beschwerde ausdrücklich ohne inhaltliche Prüfung zurückgewiesen. In jedem Fall gerät Stamm mit ihrem Landtagsamt auch in den Mittelpunkt der ORH-Prüfung. Es werde der Frage nachgegangen, ob der Landtag seine Kontrollaufgaben bei den Abgeordnetenbezügen ausreichend wahrgenommen habe, sagte ein Sprecher.

Seehofers engster Machtzirkel

Stamm sagte der Süddeutschen Zeitung, es sei gut, wenn der ORH Vorschläge mache. "Da muss man auch eigene Befindlichkeiten zurückstellen." Sie verwies aber auch darauf, ein Abgeordnetengremium selbst habe als Vorgaben für das Landtagsamt formuliert, es habe Abrechnungen nur auf Plausibilität und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen, nicht aber auf inhaltliche und moralische Aspekte. Stamm: "Ich übernehme gerne Verantwortung, aber nur für das, wofür ich Verantwortung zu übernehmen habe."

Große Bitterkeit in der CSU

Unter Druck gerät Stamm mittlerweile auch aus den Reihen der Fraktionen. Als erster äußerte der Vorsitzende der Freien Wähler im Landtag, Hubert Aiwanger, offen Kritik an Stamms Krisenmanagement. "Barbara Stamm hat wohl gehofft, die Sache aussitzen zu können", sagte Aiwanger der SZ. "Diese große Zahl an Altfällen hätte man eher systematisch angehen müssen." Für Stamm sei die Krise längst noch nicht ausgestanden. "Ich denke, dass sie noch mehr in die Kritik geraten wird." Die angekündigte Prüfung durch den ORH wertete er positiv: "Nur zu", sagte Aiwanger. Auch die Fraktionschefs Markus Rinderspacher (SPD) und Margarete Bause (Grüne) begrüßten die ORH-Überprüfung.

Über den ORH hinaus ist Ex-Fraktionschef Schmid bislang der einzige Abgeordnete, der wegen des Falls auch mit der Justiz Probleme bekommen könnte. Gegen ihn könnte der Vorwurf zum Tragen kommen, seine Frau für bis zu 5500 Euro monatlich zuzüglich Umsatzsteuer als nur scheinselbstständige Unternehmerin beschäftigt zu haben. Geringer dürften dagegen die Probleme des zurückgetretenen Haushaltsausschuss-Chefs Georg Winter ausfallen. Einen Vorstoß der Justiz, auch Winters Immunität aufzuheben, gab es im Landtag bisher nicht.

Die CSU hatte am deutlichsten von der umstrittenen Ausnahmeklausel Gebrauch gemacht, wonach Landtagsabgeordnete ihre Eltern, Kinder und Gatten als Büromitarbeiter auf Staatskosten beschäftigen dürfen, wenn es sich um Altverträge aus den Jahren 2000 oder früher handelt. Auch drei Minister und drei Staatssekretäre in der Regierung Seehofer sind durch die Affäre direkt belastet.

Der Rechnungshof will sich nun auch in die geplante Neuregelung des Abgeordnetenrechts einschalten. Dazu behalten sich die Prüfer das Recht vor, in jedes aufkommende Detail einzusteigen. Damit könnten durchaus weitere spektakuläre Fälle ans Licht kommen. Bislang gehen die Abgeordneten höchst unterschiedlich mit ihren Abrechnungen um. Manche gaben umgehend, klar und abschließend Auskünfte über ihre Verwandtenjobs, für die auch häufig nur geringfügige Zahlungen bis 400 Euro monatlich flossen. Andere versuchten Beträge und Ausmaß der Jobs zu verschleiern und kamen erst scheibchenweise mit der Wahrheit ans Licht.

So war es auch im Kabinett, wo die drei betroffenen Mitglieder Ludwig Spaenle, Franz Pschierer und Gerhard Eck sich schnell erklärten, während sich Beate Merk, Helmut Brunner und Bernd Sibler noch vornehm zurückhielten. Auch solche Phänomene haben CSU-intern für große Bitterkeit gesorgt, die durch Seehofers Befeuerungen von außen eher noch größer wurde. Das wird auch in der Erklärung deutlich, in der sich Eck als inzwischen Letzter der von Seehofer Aufgeforderten bereit erklärt, an Verwandte bezahlte Summen dem Staat zurückzuerstatten. Er habe sich rechtlich einwandfrei verhalten und gebe kein Schuldeingeständnis ab, heißt es darin. Zurückzahlen wolle er "allein aus Gründen der Solidarität mit anderen Kabinettsmitgliedern".

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