Füssen:Der Drachentöter aus dem Allgäu

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Erwiesen ist, dass Magnus seit fast 1200 Jahren in der Region um Füssen verehrt wird. (Foto: Füssen Tourismus)

Einst soll der Heilige Magnus in Füssen gelebt haben. Die Kirche St. Mang ist ihm gewidmet, Mesner Bruno Ehrentreich kennt dort jeden Winkel - und so manche überraschende Anekdote

Von Anna Günther, Füssen

Bruno Ehrentreich strahlt. Wie immer, wenn er über den Heiligen Magnus spricht. So sehr, dass man sich die nächste Frage sparen könnte. Die Antwort liegt auf der Hand. Egal, also, hat er seinen Sohn etwa Magnus genannt? "Logisch!", sagt der Mesner der Füssener Stadtpfarrei und strahlt wieder.

Seine Frau habe keine Einwände gehabt. Es sei schließlich etwas ganz Besonderes, dass der Kirchenpatron von St. Mang wahrscheinlich wirklich in Füssen lebte, genau dort, wo heute die Benediktinerabtei steht.

Die meisten Kirchen suchten sich irgendeinen Patron aus, "aber Magnus hat im achten Jahrhundert hier gewirkt, gelebt und ist hier bestattet. Er hat das Christentum ins heidnische Allgäu gebracht", sagt Ehrentreich.

Wie bei Heiligen üblich, sind die Fakten eher dünn. Erwiesen ist, dass Magnus seit fast 1200 Jahren in der Region um Füssen verehrt wird. Die Benediktinermönche bestatteten um 845 seine Gebeine in ihrer ersten Kirche und erkannten ihn als Heiligen an.

Der Legende nach soll Magnus einen Drachen getötet haben

Der Legende nach soll Magnus, der Schutzpatron des Allgäus, in den Wirren des untergehenden Frankenreichs im nahen Roßhaupten einen Drachen getötet und dem wilden Allgäu den Aberglauben ausgetrieben haben. Noch Jahrhunderte später wurden die Benediktiner gerufen, um mit dem Magnusstab die Felder vor Mäusen und Engerlingen zu schützen.

Die Bischöfe in Augsburg schätzten damals auch die geografische und wirtschaftliche Schlüsselposition des Klosters an der Straße nach Italien. Da scheint es nur konsequent, dass die zahllosen Fresken und Gemälde im Inneren von Johann Jakob Herkomers Barockkirche fast nur Szenen aus Magnus' Leben zeigen. Und in die Bilder der Seitenaltäre, die mit Magnus nichts zu tun hatten, malte Giovanni Antonio Pellegrini den Heiligen samt Stab und Drache hinein.

Meßner Bruno Ehrentreich in der Benediktinerabtei Sankt Mang. (Foto: angu)

St. Mang bestimmt das Leben der Füssener seit Jahrhunderten, bis heute. Doch niemand kennt Kirche und Kloster über dem Lech so gut wie der hauptberufliche Mesner Ehrentreich. Als sechsjähriger Bub wurde er Ministrant in St. Mang, auch 47 Jahre später steht er fast jeden Tag in der Kirche, umgeben von Marmor, Putten und Stuck.

Kritzeleien von Jahrhunderten zieren die Wände

Seit 1979 ist Ehrentreich Mesner der Füssener Stadtpfarrei, er kümmert sich um sechs Kirchen, bereitet Gotteshäuser und Gewänder für die Messen vor, und betreut die Ministranten. Sein St. Mang beginnt hinter einer Schranktür in der Sakristei. Die staubigen Gänge hinter den Kirchenwänden sind verwinkelt und zu schmal, um darin nebeneinander zu gehen. Kritzeleien von Jahrhunderten zieren die Wände.

Über eine enge Wendeltreppe und grob behauene Bohlen geht es in die winzige Marmorkapelle - hinter das Gemälde des Seitenaltars. Viermal im Jahr, etwa an Ostern, lässt Ehrentreich das Bild herab. Dann können Besucher von unten in die Kapelle hinaufsehen, die schon im Barock als kleine Bühne genutzt wurde - zur Verehrung Gottes, nicht der Künste.

Der Mesner kennt jeden Winkel und die besten Geschichten. Eine geht so: Zweimal im Jahr nutzte der frühere Stadtpfarrer Karlheinz Knebel die Kanzel. In der Neujahrsnacht predigte er selbst, am Magnusfest übernahmen Gastredner. Denen nahm Knebel das Versprechen ab, sich vor dem ersten Gegenstand, den sie an der Kanzel sehen, demütig zu verneigen und diesen zu küssen.

Innenansicht der ehemailigen Klosterkirche. (Foto: Füssen Tourismus)

Man blickt sich um, stockt, zieht zischend Luft ein. Ehrentreich kichert. Ein dicker Puttenpopo reckt sich dem Besuch entgegen. "Einige haben das echt gemacht", sagt er und lacht.

Inmitten der barocken Pracht muss er lange überlegen, bis ihm sein schönster Moment einfällt. 1999 war das, die neuen Ziegel lagen noch nicht auf dem Kirchendach. Ehrentreich kletterte das Gerüst hinauf zur goldenen Magnusstatue - St. Mang und Füssen zu Füßen.

Heute befindet sich das Rathaus in den stuckverzierten Räumen des Klosters

"Die Sonne ging langsam unter, ich war ganz allein. Das gibt es nur einmal im Leben", sagt er. Dieser Moment verdrängt sogar seine anderen Lieblingsorte: Unter dem Altarraum liegt die Krypta mit Fresken aus dem neunten Jahrhundert, dort wo einst Magnus Einsiedelei gestanden haben soll.

Dort liegt auch eine der wenigen Verbindungen zwischen Welt und Kirche: Hinter einer großen Stahltür geht es ins ehemalige Benediktinerkloster mit dem Füssener Totentanz in der Annakapelle, die als erste Kirche von St. Mang gilt. Der Maler Jakob Hiebeler malte im Frühbarock Bayerns ältesten Totentanz. Auf zehn Holztafeln folgen 20 Stände dem Tod, im Ende sind alle gleich.

Das Motto lautet "Sagt Ja Sagt Nein, Getanzt Muess sein". Mit der Säkularisation 1803 fiel St. Mang an das Kurfürstentum Bayern, das Benediktinerkloster wurde aufgelöst und 1906 von der Stadt Füssen gekauft. Heute befinden sich Rathaus, Bibliothek und Stadtmuseum in den stuckverzierten Räumen des Klosters.

In der Gruft umgeben von Memento Mori und Gebeinen wird Bruno Ehrentreich nachdenklich. Er deutet auf die Marmortafeln, Namen von 59 Äbten sind eingraviert, 1000 Jahre Benediktiner in Füssen. "Wie St. Mang wäre, wenn es keine Säkularisation gegeben hätte?", fragt er, sieht sich schweigend um und zuckt mit den Schultern, "naja, dann wäre ich wohl heute auch nicht hier - und das wäre doch schade."

Für den Tipp bedanken wir uns bei Brigitte und Klaus Beylschmidt aus Füssen.

© SZ vom 01.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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