Füssen:Drama, nächster Akt

Lesezeit: 3 min

Das Festspielhaus in Füssen wurde zur Jahrtausendwende fertiggestellt. Es hat 5000 Quadratmeter Nutzfläche, eine drehbare Bühne und ein 90 000 Liter Wasser fassendes Bassin. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Ludwig II. lockt Menschen in Massen an. Doch das Festspielhaus in Füssen hat eine fast so tragische Geschichte wie der Märchenkönig selbst: groß gedacht, in der Pleite gelandet. Nun versucht der nächste Unternehmer sein Glück

Von Christian Rost, Füssen

Der König kehrt zurück an den Forggensee - wieder einmal, muss man sagen. Denn das Experiment, mit einem Musical über Ludwig II., den Erbauer des nur vier Kilometer Luftlinie entfernt stehenden Schlosses Neuschwanstein, das Füssener Festspielhaus zum Erfolg zu führen, ist bereits drei Mal gescheitert. Nach der jüngsten Pleite im vergangenen Jahr investierten die Geschäftsmänner Jan Leuze und Manfred Rietzler in den pompösen Spielort. Auch sie kündigten an, mit einem Musical und Events rund um den Märchenkönig ein neues Kapitel aufschlagen zu wollen. Doch kurz vor der Wiedereröffnung am 1. April stieg einer der Investoren aus. Leuze übertrug seine Anteile an seinen Partner, den Marktoberdorfer Unternehmer Rietzler. Der 55-Jährige, der den elektronischen Reisepass entwickelte und nach eigenen Angaben schon mehrere Firmen erfolgreich aufbaute, bleibt dennoch optimistisch, "das Schiff aus stürmischer See in ruhiges Fahrwasser" zu bringen.

Das Schiff ist in diesem Fall das zur Jahrtausendwende für rund 37 Millionen Euro fertiggestellte Festspielhaus. Mit 5000 Quadratmetern Nutzfläche, einer drehbaren Bühne und einem 90 000 Liter Wasser fassenden Bassin, in dem Ludwig II. seinen Tod findet, ist es nach wie vor ein Mammutprojekt am Ufer des Forggensees. Der Musicalautor und Regisseur Stephan Barbarino hatte die Idee, Ludwig II. in einem Singspiel in einem eigens gebauten Festspielhaus wieder auferstehen zu lassen. Seine Frau Josephine Barbarino, eine Architektin, nahm sich bei der Umsetzung Bayreuth zum Vorbild. Trotz aller Einwände von Naturschützern wurde sogar ein Stück des Sees aufgeschüttet, um die Lage des Komplexes noch attraktiver zu machen.

Tatsächlich liegt das Festspielhaus spektakulär in der Landschaft, mit Blick auf Neuschwanstein, dem deutschen Tourismusmagneten. Kein anderer Ort wird häufiger von Reisenden besucht als des Kinis Prachtbau. Doch finanziell färbte der Boom einfach nicht ab auf das Musical-Theater. Zur Eröffnung stimmte die Bilanz noch. Die erste Fassung der inszenierten Geschichte um Leben und Tod des bauwütigen Monarchen, der zuerst für verrückt erklärt worden ist und dann unter ungeklärten Umständen im Starnberger See ertrank, lief noch recht gut mit 75 Prozent Besucherauslastung. Doch Ende 2003 drückten Bau- und Betriebskosten dermaßen auf das Theater, dass die Vorhänge zum ersten Mal fielen. Zwei Jahre später dann der zweite Versuch. Auch hier sprach das Publikum zunächst an, dann aber nicht mehr. 2007 war zum zweiten Mal Schluss. Die Vorstellung der Betreiber, den Touristenstrom nach Neuschwanstein auch durch das Festspielhaus lotsen zu können, erwies sich als zu optimistisch. Die Tagesausflügler tummelten sich tagsüber im Schloss und fuhren abends Busladung für Busladung wieder heim oder ins Hotel. Auch das bislang letzte Konzept, das Haus für Gastaufführungen kommerzieller Veranstalter zu vermieten, ging langfristig nicht auf. Nach neun Jahren, in denen auch Wagner aufgeführt wurde, den Ludwig II. bekanntlich schwer verehrte, war auch dieses Projekt am Ende. Dabei lief das Ludwig-Musical selbst gar nicht schlecht. Bei den 29 Aufführungen im vergangenen Sommer zählten die Veranstalter immerhin 30 000 Besucher. Der Produzent des Stücks "Ludwig²" will deshalb auch in diesem August wieder 20 Mal das Theater bespielen.

Der neue Investor Rietzler, 55, plant nach eigener Auskunft aber noch weit mehr, um das Festspielhaus auf solide Beine zu stellen. Neben täglichen Ludwig-Shows, die keine abendfüllenden Veranstaltungen sein sollen, sondern auch für Kurzbesucher infrage kommen, will er die Touristen abholen. Außerdem soll es Varietés geben, ein Weihnachtsspektakel und klassische Konzerte. Die Gastronomie im Festspielhaus ist ebenfalls als tragende Säule in dem Konzept eingeplant. Und als Option behält sich Rietzler den Bau eines Hotels auf dem gut vier Hektar großen Areal vor. "Es muss mit jeder seiner Aktivitäten zu einem Magneten für die Region und weit darüber hinaus avancieren", teilt der Investor mit, der sich als Allgäuer, also als Einheimischer, besonders prädestiniert sieht, das Haus doch noch zum Erfolg zu führen. Für ihn muss es auch klappen, denn das Unternehmen hat schon eine Menge Geld gekostet. Die Substanz des Gebäudes ist zwar nach wie vor gut, doch die Bühnentechnik und die Brandmeldeanlage mussten erneuert werden. Es war auch nötig, das Wasserbassin neu abzudichten.

Weshalb Jan Leuze kurz vor dem Neustart ausgestiegen ist, darüber wird nun viel diskutiert. Er hatte ursprünglich die Idee, das Musical-Theater in ein Outlet-Shopping-Center zu verwandeln oder zumindest ein solches an das Festspielhaus anzugliedern. Nach heftiger Kritik von politischer Seite und auch aus der Bevölkerung hat er davon schließlich Abstand genommen. Landrätin Maria Rita Zinnecker befürchtete eine Abwertung der Region. Füssens Oberbürgermeister Paul Iacob meinte in einem Interview, ein Kaufhaus passe nicht in diese Lage am See. Nun kümmert sich Leuze wieder um seine anderen Shopping-Center, die er zum Beispiel in Hessen und Niedersachsen betreibt - jedenfalls fernab von Füssen.

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: