Erbstreit in Oberbayern:"Ohne meine Kühe kann ich nicht"

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  • Es ist vorerst der letzte Akt eines Bauerndramas in Oberbayern: Nach jahrelangem Kampf muss die Familie Forstmaier nun ihren Hof räumen.
  • Nachbarn und Freunde protestieren und lassen ihrer Wut auf das Amtsgericht Ebersberg freien Lauf.
  • Polizei und Veterinäramt wollen ein Auge darauf haben, dass die Tiere der Familie von den neuen Hofbewohnern gut versorgt werden.

Von Korbinian Eisenberger, Frauenneuharting

Hans Forstmaier hat Tränen in den Augen. "Macht's es gut, lasst's euch nicht unterkriegen", sagt er und streichelt einem seiner Rinder über den Kopf. Für den 45-Jährigen ist es der letzte Gang durch seinen Stall, seit er vor etwa 20 Jahren den Hof seines Vaters als Bauer übernahm. Neben ihm steht Tochter Elisabeth, 14, mit verquollenen Augen. Draußen sammelt der achtjährige Maxi seine Katzen ein und setzt sie in einen Tragekäfig.

Sechzig Nachbarn und Freunde sind gekommen. Sie sehen wortlos zu, wie der älteste Sohn Hans junior eine Kiste im Umzugslaster verstaut und die Spanngurte festzurrt. Dann hält ein Auto am Straßenrand. Kurz nach neun Uhr. Der Mann, der es zu Ende bringen soll, betritt das Gelände.

An diesem Dienstagmorgen schwirren Vögel durch die Luft. Hinter dem Ortsschild am Dorfeingang parken drei Polizeiautos in einer Einfahrt. Beamte stehen in einer Traube beisammen. Drei weitere Polizisten beobachten das Gehöft und eine Menschenansammlung, die sich mit Plakaten und Bannern im Vorhof der Familie Forstmaier aufgebaut hat.

Es ist der vorerst letzte Akt einer Bauern-Tragödie, die sich in der Gemeinde Frauenneuharting 40 Kilometer östlich von München abspielt. Nicht Schriftsteller wie Anzengruber oder Ganghofer, sondern das Leben hat hier Feder geführt. Für die Protagonisten Hans und Rosi Forstmaier und ihre fünf Kinder endet an diesem Morgen ein jahrzehntelanger Familienstreit mit einer Zwangsräumung. Mehrere Gerichte haben darüber befunden. Dass die zwölfte Bauern-Generation der Forstmaiers die letzte gewesen sein soll, ist für Menschen wie Michael Klarl schwer zu begreifen. Zusammen mit Frau und Kindern ist er gekommen, um die Räumung doch noch zu verhindern. Zusammen halten sie ein Stoffbanner in die Luft. Sohn Jonas half beim Basteln. Er und sein Spezl Seppi Forstmaier würden jetzt normalerweise in einem Klassenzimmer sitzen. Doch Seppi muss heute ausziehen. "Das Amtsgericht Ebersberg", so steht es auf dem Banner der Klarls, "macht den Weg frei für Mollath 2".

Buhrufe gegen den Gerichtsvollzieher

Die Wut der Nachbarn und Bekannten richtet sich gegen die Justiz: Ihrer Meinung nach ist die Betreuungsstelle am Amtsgericht mit dafür verantwortlich, dass der Altbauer - Hans Forstmaiers Vater - den Hof nicht an seinen Sohn übergeben konnte. Seit einem Unfall vor 20 Jahren, bei dem Johann Forstmaier auf den Kopf stürzte, ist ihm ein Betreuer zur Seite gestellt - der Grafinger Rechtsanwalt Peter Hohlweg. Dem Betreuerausweis nach unterstützte Hohlweg Johann Forstmaier bereits über mehrere Jahre "bei der Hofübergabe des Anwesens". Genau dies, die Hofübergabe, sagen Nachbarn und Freunde der Familie, habe der Anwalt aber von vornherein verhindern wollen. Vielmehr, so heißt es, würde Hohlweg aus Eigennutz oder im Interesse der Altbäuerin handeln: jene Frau, die sich mit ihrem Sohn und seiner Familie seit Jahrzehnten einen erbitterten Streit liefert.

Erbstreit in Oberbayern
:Hof steht vor der Zwangsräumung

Das Drama um den Forstmaierhof geht weiter: Weil die Familie des Jungbauern nicht ausziehen will, soll der Hof zwangsgeräumt werden - nach zwölf Generationen Familienbetrieb. Wer sich dann um die Tiere kümmert, ist unklar.

Von Korbinian Eisenberger

Von Getraud Forstmaier und ihrem Mann bekommen die Demonstranten an diesem Tag nichts zu sehen. Für eine Stellungnahme ist die Altbäuerin nicht zu erreichen. Seit vier Wochen wurden beide nicht mehr auf dem Hof gesehen. Rechtsanwalt Hohlweg soll die Schlüssel entgegennehmen. Die Plakate mehren sich, vor dem Hof wird es immer enger. Einzelne Buhrufe aus der Menge. Der Gerichtsvollzieher im beigen Sakko nähert sich schnellen Schrittes der Türschwelle.

Hinter den Fensterscheiben warten die Forstmaiers mit ihren Kindern. Rosemarie bricht in Tränen aus. Thomas Puhane, den das Amtsgericht für die Vollstreckung bestellte, ist nicht zu beneiden, als er die Küche betritt. Die Familie habe noch ein paar Minuten, um die letzten Kisten hinauszuschleppen. Den Abwasch vom Frühstück dürfe Rosi Forstmaier jetzt aber auf keinen Fall mehr machen. "Unfassbar", sagt Katharina Hartmann, die nur noch den Kopf schüttelt. Sie kenne den Altbauern seit 50 Jahren und sagt: "So etwas hätte er nie gewollt."

Altbauer weint, als er von der Zwangsräumung erfährt

Bis zuletzt versuchte die Familie, die Zwangsräumung doch noch abzuwenden - vergeblich. Um herauszufinden, wie der Wunsch des Altbauern tatsächlich lautet, telefonierte Rosi Forstmaier die Pflegeheime des Landkreises ab. Sie fand heraus, dass die Altbäuerin ihn Anfang Dezember in einem Altenheim untergebracht hatte, und kündigte einen Besuch am vergangenem Sonntagabend an: Johann Forstmaier sitzt im Speisesaal und lächelt, als er seine Enkelkinder sieht. Zuvor hatte er bereits seit einigen Monaten nicht mehr gesprochen. Den Vorwurf, sie habe ihn mit Medikamenten gefügig gemacht, stritt die Altbäuerin stets vehement ab. Seine Frau habe seit vier Wochen nicht mehr vorbeigeschaut, sagt eine Pflegerin.

Erbstreit in Oberbayern
:Vom Hof geklagt

Seit zwölf Generationen führen die Forstmaiers einen Bauernhof in Oberbayern. Der Betrieb floriert, doch eine 13. Generation wird es nicht geben. Die Altbäuerin hat sich mit ihrem Sohn überworfen und vor Gericht erzwungen: Die siebenköpfige Familie muss am 1. Advent ausziehen.

Von Korbinian Eisenberger

Am Sonntagabend nickt er auf die Frage, ob er zurück zu den Kühen wolle. Dann erklärte ihm sein Sohn, dass er und die Kinder vom Hof gejagt wurden, dass er nicht wisse, wer in Zukunft die Kühe versorge. Johann Forstmaier greift sich an den Kopf und weint. Er hält die Hand seiner Enkeltochter umklammert, will mit den Jungbauern mitgehen. Doch der Altbauer muss warten, bis er von seinen gesetzlichen Betreuern abgeholt wird.

Forstmaiers Anwalt Herwig Eder-Richter hat vieles versucht, um das Amtsgericht Ebersberg umzustimmen. Er schrieb sogar noch einen Brief an Bayerns Justizminister Winfried Bausback. All dies und zahlreiche Zeugenaussagen über den Altbauern und dessen Leidenschaft für Hof und Beruf konnten das Gericht letztlich nicht umstimmen, den Fall neu aufzurollen.

"Ohne meine Kühe kann ich nicht"

Am Dienstag hat Peter Hohlweg die Schlüssel bekommen. Er und Gertraud Forstmaier müssen sich von nun an um die 150 Kühe und Kälber, die Hühner und die Schweine kümmern. Die Polizei und das Veterinäramt würden ein Auge darauf haben, heißt es. Als Hohlweg vor das umzingelte Haus tritt, wird er von der Menge grob beschimpft. Der Mann mit Mantel und Schal lässt es minutenlang über sich ergehen. "Ich vertrete nur die Interessen des Altbauern", ruft er den Leuten zu.

Weitere Aussagen verweigert er und verschwindet in jenem Haus, das die Forstmaiers von sofort an nur mehr unter Aufsicht betreten dürfen. Nach eineinhalb Stunden ist ihr Umzugswagen voll beladen. Hans Forstmaiers T-Shirt spannt über seinem Oberkörper. "Ich bin ein Bauer, ohne meine Kühe kann ich nicht", sagt er unter Tränen.

Seine kräftigen Hände umklammern das Lenkrad. Dann startet er den Motor.

Anmerkung der Redaktion: Bislang hat Süddeutsche.de vom Oberhuber-Hof und der Familie Oberhuber berichtet. Da ihre wahren Namen durch das öffentliche Interesse und die zunehmende Berichterstattung in anderen Medien hinreichend bekannt sind, berichten auch wir jetzt nicht mehr unter Pseudonym.

© SZ vom 14.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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