Ehec im Freistaat:Wie Bayern Sicherheit vorgaukelt, die es nicht gibt

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Bayerns Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit verkündet: "Bayerisches Gemüse nicht mit Ehec belastet." Doch einen Grund zur Entwarnung gibt es noch gar nicht.

Markus C. Schulte von Drach

Wäre da nicht das Leid der Ehec-Patienten, dann wäre die Meldung des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen wohl ein Grund zur Erheiterung: "Bayerisches Gemüse nicht mit Ehec belastet", teilt das Amt mit. Erklärt sich Bayern für Ehec-frei? Gibt das Amt, wie es die Presseagentur dapd aus der Meldung ableitet, "vorerst Entwarnung für bayerisches Gemüse"?

Bayern ist Ehec-frei - sagt das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Freistaat. Doch die Verbraucher bleiben skeptisch und meiden Rohkost. (Foto: dpa)

Der Eindruck könnte entstehen - auch wenn die Behörde bereits im Titel der entsprechenden Mitteilung erklärt, dass es sich um das Ergebnis "bisheriger Tests" handelt. 94 Proben wurden im Rahmen des Untersuchungsprogramms "Bayerisches Gemüse", das im Juni gestartet wurde, untersucht. Die Kontrolleure konzentrieren sich auf Gurken, Tomaten und Blattsalate aus bayerischen Gemüseanbauzentren. Weitere 306 Proben aus einheimischen Betrieben stehen im Rahmen des Programms auf der Agenda. Nach Auskunft des Landesamtes wurden im Rahmen des Ehec-Ausbruchs insgesamt 334 Proben untersucht. Einen Hinweis auf eine Verunreinigung mit Ehec wurde bislang nicht entdeckt.

Doch ein Grund zur Entwarnung ist das nicht. Das belegt schon die Erklärung des LGL-Präsidenten Andreas Zapf, die Kontrollen würden "weiterhin intensiv fortgesetzt, solange die Infektionsquelle nicht geklärt ist". Allerdings verspricht Zapf den Verbrauchern darüber hinaus etwas, dass er mit hoher Wahrscheinlich nicht wird halten können. Denn - wie die Erfahrung früherer Ehec-Ausbrüche lehrt - die Infektionsquelle wird häufig nicht gefunden. Will Zapf dann in alle Ewigkeit weiterprüfen?

Negative Testergebnisse - insbesondere mehrere Wochen nach dem Beginn der Epidemie - zeigen, dass die geprüften Produkte tatsächlich Ehec-frei sein dürften. Doch es handelt sich um Stichproben, die keine absolute Gewissheit geben können. Und noch weniger sagen sie darüber aus, ob bayerisches Gemüse die Infektionsquelle der gegenwärtigen Epidemie gewesen sein könnte.

Angesichts der Tatsache, dass die meisten Patienten sich in Norddeutschland infiziert haben, darf man inzwischen wohl davon ausgehen, dass Nahrungsmittel aus Süddeutschland, die in der Region verzehrt werden, kein besonderes Risiko darstellen, mit dem besonders aggressiven Ehec-Typ kontaminiert zu sein. Theoretisch möglich ist aber zum Beispiel, dass ein verunreinigtes bayerisches Produkt vor Wochen nach Norddeutschland geliefert und von dort aus weiter verteilt wurde. Theoretisch, wohlgemerkt. Nichts spricht im Augenblick dafür, dass die Infektionsquelle in Bayern liegt.

Aber auch Niedersachsen, wo sich etliche Menschen infiziert haben, viele Patienten schwer erkrankt und einige gestorben sind, hatte schon früh begonnen, sämtliche Gartenbaubetriebe im Land zu untersuchen. Auch viele norddeutsche Betriebe haben früh damit begonnen, ihre Produkte testen zu lassen. Ehec-Kontaminationen wurden in keinem einzigen Fall entdeckt.

Selbst der verdächtige Sprossen-Betrieb im niedersächsischen Bienenbüttel wurde bereits vor mehr als einer Woche erstmals und nun noch einmal intensiv geprüft. Ebenfalls ohne Ergebnis. Die einzigen Spuren, die die Kontrolleure bislang verfolgen konnten, waren Sackgassen: Ehec-Bakterien auf spanischen Gurken - allerdings vom falschen Typ. Und Hinweise auf Ehec-Gifte auf Gurken aus Mecklenburg-Vorpommern - auf denen dann aber doch keine Ehec-Bakterien nachgewiesen werden konnten.

Mit der gleichen Berechtigung wie die Bayern könnte demnach jedes einzelne Bundesland verkünden: "Bisherige Tests zeigen: Unser Gemüse ist nicht mit Ehec belastet". Zugleich sollte aber immer festgestellt werden: Das Fehlen des Beweises ist gerade bei Ehec-Bakterien nicht der Beweis für das Fehlen. Und solange die Infektionsquelle nicht sicher identifiziert wurde, sollte keine Behörde den Eindruck von falscher Sicherheit vermitteln.

Die Warnungen vor Salat, Tomaten, Gurken und nun auch Sprossen waren und sind gerechtfertigt. Das ist trotz der Dimensionen des Ausbruchs kein Grund, auf alle diese Produkte zu verzichten. Wie die Behörden seit Beginn der Epidemie raten, sollten die betreffenden Nahrungsmittel für zehn Minuten auf 70 Grad erhitzt werden. Und mit dem Verzehr von Rohkost sollte man sich in Norddeutschland noch eine Weile zurückhalten.

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