CSU:Schamlos, clever, Söder

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Immer für eine Verkleidung gut: Markus Söder erhielt im Januar den Orden Wider den tierischen Ernst. (Foto: dpa)

Der Finanzminister steht ganz vorne in Bayerns Thronfolge. Wie konnte das passieren? Unser Autor hat ihn ein halbes Jahr lang begleitet.

Von Roman Deininger

Ein Bierzelt an einem lauen Sommerabend, 800 Leute, der Sportverein Eitensheim wird 70 Jahre alt und Markus Söder ist gratulieren gekommen. Wenn irgendwer in Bayern einen einigermaßen runden Geburtstag hat und sich nicht schnell genug ins Ausland absetzt, dann schaut Finanzminister Söder von der CSU vorbei, auf einen kurzen Glückwunsch und einen längeren Bericht zur Lage der Welt.

Die Blaskapelle prustet los, Söder marschiert ins Zelt, Servus hier, Grüß Gott da. Man sagt ja, sein Gang sei so breit wie der von Cristiano Ronaldo, das stimmt aber nicht; im Vergleich mit Söder ist dieser Ronaldo ein Pimpf, dem ein bisschen die Körperspannung fehlt. Er packt sich mit beiden Händen das Pult, er hält Reden wie andere Leute Ringkämpfe führen. Dann kommt ein Herr vom SV Eitensheim und bringt ihm ein Kaltgetränk.

Hier kurze Unterbrechung, denn wenn man diesen Markus Söder ein halbes Jahr begleitet hat, weiß man: Er trinkt keinen Alkohol, fast gar keinen. Er trinkt Wasser, vielleicht auch mal ein Cola; nicht weil er muss, sondern weil er Wasser und Cola mag. Wenn seine Mitarbeiter gefragt werden, was er trinken will, sagen sie eigentlich immer: Wasser.

Markus Söder ist überall

Der Kellner stellt nun ein Wasser aufs Pult. Söder hält inne, drei Sekunden, vier, er starrt den Mann an und dann das Wasser, er lächelt wie ein Räuberhauptmann im Spessart, der des Nächtens die Kutsche nahen hört. Er ruft: "Habt ihr nicht was Anständiges zu trinken?" Das Publikum, das sein eigenes Bekenntnis zum Alkohol schon abgelegt hat, johlt. Ein besonderer Bekenner wird später sagen: "Stell'n de Deppn eam a Wasser hi!" Söder kriegt dann eine Mass Bier, er prostet ins Zelt, das jetzt seines ist, vielleicht nippt er sogar. Dann rührt er die Mass nicht mehr an.

Markus Söder ist schamlos und er ist clever, er ist schamlos clever. Diese furchterregende Kombination hat ihn weit gebracht, Söder kennt man in Herne und in Husum, auch wenn man ihn nicht unbedingt mag. Söder ist überall: In Talkshows attackiert er die Kanzlerin für ihre Flüchtlingspolitik, im Internet präsentiert er den neuen Familienwelpen Bella, "bin Hundefan". Er ist zwar eigentlich nur ein kleiner Landesminister, aber auch eine große Provokation.

Was ist das für ein Typ, der polarisiert wie fast niemand anderer in der deutschen Politik?

Mit 16 Jahren ist Söder in die CSU eingetreten, er hängte sich, so will es zumindest die Legende, ein Strauß-Plakat übers Bett; mit 27 zog er in den Landtag ein, mit 36 wurde er CSU-Generalsekretär, mit 40 Minister. Jetzt, mit 49, setzt der Sog der Macht ein, wo immer er hinkommt. Seine Gastgeber begrüßen ihn verlässlich als nächsten Ministerpräsidenten, und wenn einer das mal verpasst, stellt Söder selbst sicher, dass seine beruflichen Perspektiven Erwähnung finden. "Pathologischen Ehrgeiz" hat ihm sein CSU-Rivale Horst Seehofer einst attestiert.

Wie ist Söder so weit gekommen? Und wie weit kommt er noch? Ein halbes Jahr an seiner Seite bringt Antworten: beim Karneval in Aachen und hinter den Kulissen des Nockherbergs, bei der Machtprobe mit Hengst Titan und beim Mittagessen in seinem türkischen Lieblingslokal.

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Markus Söder ist schamlos. Er ist clever. Und wohl bald bayerischer Ministerpräsident. Bevor das Amt zu ihm kommt, macht er sich selbst auf den Weg: ein halbes Jahr im Leben eines Politik-Viechs.

Von Roman Deininger

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