Computerspiele:Digital durch Schloss Neuschwanstein

Lesezeit: 4 min

Selbst zum Spielen kommt er kaum noch: Christian Kluckner entwickelt mit seiner Firma Computerspiele. (Foto: Robert Haas)

Lukrativer als Kinofilme: Christian Kluckner entwickelt mit seiner Münchner Firma Computerspiele. Aktuell arbeitet er an einem Mystery-Game über den Tod von König Ludwig II. Selbst spielt er jedoch kaum noch.

Von Martin Schneider

Nein, keine Pizzakartons. Bloß keine Pizzakartons. Das müsse aufhören, dieses Image von den Typen, die im Keller vor ihrem Computer sitzen, das Tageslicht nicht mehr sehen und sich ausschließlich von Lieferservice-Teigwaren ernähren. Das hätte mit der Realität nichts zu tun. Christian Kluckner sitzt an einem großen, hellen Holztisch im obersten Stock eines Bürohauses gegenüber des Sendlinger Tors. Er hat schwarze, kurze Haare, trägt ein schwarzes Hemd und redet mit Tiroler Einschlag. Er ist der Chef von Chimera Entertainment, seiner eigenen Firma, die Computerspiele entwickelt.

Aktuell arbeitet seine Firma an einem Spiel, in dem man als Journalist den Tod von König Ludwig II. aufklären muss. Der 36-Jährige steht neben einem Fernseher mit einem Bildschirm, so groß wie eine Armspannweite. Es gibt viele Bildschirme in diesem Stockwerk. Kluckner hat gerade darüber gesprochen, welches Image seine Branche hat. Dass Computerspiele für viele etwas Negatives sind. Das ärgert ihn. "Wir sehen uns als neuen Kulturzweig", sagt Kluckner. "Es ist der neue, große Medientrend."

Computerspiele haben häufig ein schlechtes Image

Computerspiele machen mittlerweile weltweit mehr Umsatz als Kinofilme. Es gibt sie in allen Formen, Farben und Ausführungen. Vom epischen "Call of Duty", in dem man einen Soldaten im Zweiten Weltkrieg spielt, bis zum Handyspiel "Flappy Bird", bei dem man einen kleinen Vogel an grünen Rohren vorbeisteuern muss. Kluckner vergleicht Computerspiele gerne mit Filmen. "Es gibt ganz viele furchtbare, bösartige, gewalttätige Filme. Hat deswegen die Filmbranche ein negatives Image? Nein. Aber bei Computerspielen ist das teilweise immer noch so." Die Spiele hätten das gleiche Ziel wie die meisten Filme. Sie wollen unterhalten, anspruchsvoll sein, Spaß machen. Mit einem Unterschied: "Bei Filmen bin ich passiver Zuschauer. Bei Computerspielen kann ich aktiv gestalten", sagt Kluckner. Das habe ihn schon immer fasziniert.

Mit 19 Jahren zieht er aus Innsbruck nach München, um Informatik zu studieren. Er bekommt eine Stelle als Softwareentwickler, ohne das Studium abgeschlossen zu haben. Das war Ende der Neunzigerjahre nicht ungewöhnlich. Sobald jemand Ahnung von Computern hatte, holten ihn die Firmen aus der Universität raus. Im Jahr 2000 arbeitet er bei einer Plattform namens Net-Games, die eine Plattform besaß, auf der man im Internet Spiele spielen konnte. "Das war damals etwas Neues", sagt Kluckner. Die Firma ging pleite, wie viele Firmen, weil an der Börse die sogenannte Dotcom-Blase platzte. Man hatte dem Internet mehr zugetraut, als es damals leisten konnte. Für Kluckner war trotzdem klar, dass er Spiele machen will.

Mit 26 geht er auf die Designhochschule, macht eine Ausbildung zum Spieleentwickler. Er lacht, wenn er daran zurückdenkt. "Das war damals ein Pionierstudiengang", sagt er. Mittlerweile bieten ihn viele Hochschulen an, unter anderem die Münchner TU.

Er lernt Leute kennen, denen es ähnlich geht wie ihm. Vor allem Alexander Kerr. Kerr ist ein kreativer Kopf, ein Game Designer, dem zu allem direkt irgendwas einfällt. Kluckner ist der Programmierer, der ihre Ideen in einen Code umwandeln kann. Sie wollen zusammen ein Spiel machen. "Windchaser" soll es heißen, bei dem man mit einem futuristischen Luftschiff durch eine Fantasywelt fliegt, Abenteurer und Handwerker anheuern kann und Monster besiegen muss.

Kluckner läuft aus dem Büro, den Gang entlang und murmelt "Hier muss doch irgendwo noch eins sein." Er geht zu dem Regal, indem einzelne CDs stehen. "Ah, hier", sagt er und holt eine Verpackung heraus. "Tolles Titelbild, oder?", fragt er und schaut sich sein erstes Spiel an, als hätte er es schon lange nicht mehr gesehen.

Kerr und er wollten eine Kombination aus Rollen- und Strategiespiel entwickeln. Sie erschufen Monster und Helden, dachten sich neue Welten aus. Es gab eine große Geschichte, die man nachspielen konnte, sogar eine Liebesgeschichte kam vor. Kluckner liest viel Fantasyliteratur, um sich inspirieren zu lassen, aktuell die Winterfell-Reihe von George R. R. Martin. Auch die griechische Mythologie sei super für Anregungen. Seine Firma heißt Chimera Entertainment, das hat seine Gründe. "Spiele entwickeln funktioniert in der Regel so: Man nimmt bekannte Zutaten und mischt sie zu etwas Neuem zusammen. Ähnlich wie eine Chimäre, die ein Mischwesen aus unterschiedlichen Tieren ist", erklärt Kluckner.

Ideen aber kein Investor

Die Ideen waren da, nur keiner, der das Spiel finanzieren wollte. Bei einer Veranstaltung wird ein Journalist der Zeitschrift Game Star auf das Spiel aufmerksam. Er findet es gut, vermittelt die beiden an Hendrik Lesser. Der erklärt sich bereit das Spiel zu finanzieren, gemeinsam mit seiner Firma "Remote Control" gründet Kluckner Chimera Entertainment. Bis heute teilen sich die zwei Firmen ein Büro. 15 Monate später gab es das Spiel im Handel. "Ich bin direkt morgens in den Laden und habe es mir gekauft. Ein sehr stolzer Moment", sagt Kluckner. "Unser erstes eigenes Spiel." Die Kritiken waren gut, teilweise sehr gut, die Verkaufszahlen bescheiden. "Aber gut", sagt Kluckner. "Wir waren im Geschäft. Man wurde auf uns aufmerksam."

Das Team ist bis heute im Kern das gleiche geblieben. Nun arbeiten sie an "The Mystery of Neuschwanstein". Das Projekt wird vom Film-Fernseh-Fonds Bayern gefördert. "Wir wollten etwas Regionales machen. Wir sind mit München verbunden", sagt Kluckner. Also überlegten sie, woraus man in München ein Spiel machen kann. Das Oktoberfest? Eignet sich schlecht als Rollenspiel. Also Neuschwanstein. Vorbild ist der Autor Dan Brown, der an historischen Fakten entlang eine spannende, fiktive Geschichte erzählt. Das wollen sie auch schaffen. Mitte des Jahres soll es fertig sein.

Kluckner sitzt wieder an dem großen Holztisch. Die Schwierigkeit an dem Job sei, dass sich alles so schnell entwickele. "Man ist immer für irgendetwas zu spät", sagt er. Handyspiele seien gerade in, da war seine Firma zum Glück rechtzeitig dran. Er hofft, dass Computerspiele in Zukunft mehr Anerkennung bekommen. "Es gehört ja mehr und mehr zum Alltag. Selbst Kleinkinder spielen mittlerweile mit dem iPad." Alles sei schlecht, wenn man es über ein gewisses Maß hinaus betreibt. Das sei im Sport ja nicht anders. "Aber nur Computerspieler haben das Image, dass sie abseits ihres Hobbys quasi kein Leben hätten", sagt Kluckner. In seiner Freizeit, sagt Kluckner, spielt er übrigens kaum noch.

© SZ vom 26.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: