Bundestagswahl 2017:Die CSU kämpft um ihre absolute Mehrheit - auch gegen die CDU

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  • Nach einem Bericht des Spiegels will Ministerpräsident Horst Seehofer 2017 für den Bundestag kandidieren.
  • Grund dafür sei seine Unzufriedenheit mit Merkels Kurs.
  • Die CSU fürchtet um ihre absolute Mehrheit in Bayern. Deshalb will sie sich von Merkels Kurs absetzen.

Analyse von Wolfgang Wittl

Die CSU hat in den vergangenen Monaten vieles unternommen, um die große Schwesterpartei CDU zu einer Kurskorrektur zu bewegen. Unentwegt hat sie in der Flüchtlingsfrage auf einer härteren Linie beharrt, hat Obergrenzen und Grenzkontrollen selbst dann gefordert, als die Zahlen schon wieder nach unten gingen. Jetzt hebt sie den Konflikt auf eine neue Ebene: Die CSU beginnt, die Politik der unionsinternen Abgrenzung auf die Bundestagswahl auszuweiten. Dahinter steht die große Sorge, bei den Landtagswahlen 2018 in Bayern ein weiteres Mal nach 2008 und dann vielleicht sogar endgültig ihren Nimbus der absoluten Mehrheit zu verlieren.

Immer wieder war zuletzt in der CSU zu hören, Parteichef Horst Seehofer wolle mit einem eigenen Programm in den Bundestagswahlkampf 2017 ziehen. Das ist an sich nicht ungewöhnlich. CSU und CDU sind zwei eigenständige Parteien. Auch wenn sie sich in der Vergangenheit eng abstimmten, setzten sie jede für sich doch eigene Akzente im Wahlkampf.

Bundestagswahl 2017
:Seehofer plant eigenen Bundestagswahlkampf der CSU

Weil er nicht mit Angela Merkels Kurs einverstanden ist, will der bayerische Ministerpräsident einem Medienbericht zufolge 2017 selbst kandidieren.

Neu ist nun allerdings die Wucht, mit der Seehofer die Unterschiede betont. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) könne nicht auf seine Unterstützung hoffen, soll Seehofer in einer internen Runde nach einem Bericht des Spiegel gesagt haben. Jedenfalls dann, wenn CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik und im Umgang mit der AfD keine gemeinsame Linie fänden. Seehofer selbst wolle für den Bundestag auf Platz eins der CSU-Landesliste antreten.

Diese Drohung geschieht wohl aus doppeltem Kalkül heraus: In der CSU hofft man einerseits, Merkel und die CDU auf diese Weise zu beeindrucken (wobei der Effekt nach den Erfahrungen der vergangenen Monate eher gering ausfallen dürfte). Andererseits muss die Partei schon um der eigenen Selbsterhaltung willen ihren Kurs fortsetzen.

Merkel für ihre Politik fortwährend zu kritisieren und dann trotzdem mit ihr Geschlossenheit im Wahlkampf zu simulieren - damit würde die CSU nicht nur bei ihren konservativen Wählern jede Glaubwürdigkeit verspielen. Schon jetzt orakeln führende CSU-Köpfe, wie schwer es sein wird, die eigene Basis für einen Kanzlerinnen-Wahlkampf zu mobilisieren. Dass Mitglieder sich begeistern lassen, in Bayern Plakate mit Merkels Konterfei zu kleben, gilt im Moment als ausgeschlossen.

Der CSU kann die Distanz zu Merkel nicht groß genug sein

Bei den vergangenen Wahlkämpfen im Bund und Land tat die CSU alles, um die Gemeinsamkeiten mit Merkel zu betonen. Die Beliebtheit der Kanzlerin sollte auch auf die kleine bayerische Schwester abfärben. Mittlerweile kann der CSU die Distanz zu Merkel gar nicht groß genug sein. Sollte sich daran in den kommenden Monaten nichts ändern, wird Seehofer gar nicht anders können, als selbst auf Platz eins in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Er ist der personifizierte Kontrapunkt zur Kanzlerin. Er steht in der Verantwortung des Parteichefs.

Die CSU hat Erfahrung mit solchen Methoden: Schon Franz Josef Strauß kandidierte als bayerischer Ministerpräsident für den Bundestag, führte für seine Partei sogar noch die Koalitionsverhandlungen, gab das Bundestagsmandat aber schließlich doch wieder ab. In der CSU herrschen allerdings Zweifel, ob der Wähler eine derart durchschaubare Taktik heute noch gutheißen würde. Einflussreiche Parteimitglieder sind daher der Auffassung, Seehofer müsse 2017 dann auch wirklich nach Berlin wechseln - als Parteivorsitzender und womöglich als Landesgruppenchef.

Das jedoch ist schwer vorstellbar. Seehofer hat mehrfach betont, er werde sein Amt als Ministerpräsident definitiv bis zum letzten Tag 2018 ausüben. Außerdem könnte er von Berlin aus kaum noch Einfluss auf seine Nachfolge nehmen und die Kräfte in München kontrollieren. Sollte er als Spitzenkandidat im Bund ein gutes Ergebnis erhalten, könnte er stattdessen vielmehr versuchen, diesen Rückenwind für eine weitere Bewerbung als bayerischer Ministerpräsident zu nutzen.

Worauf auch immer die CSU sich festlegt: Alle Überlegungen zeigen nur, wie zerrüttet das Verhältnis in der Union inzwischen ist. Bei einer gemeinsamen Klausur im Sommer wollten die Schwesterparteien eigentlich Themen festlegen, mit denen sie in den Wahlkampf ziehen. Nur so könnten die Mitglieder auf beiden Seiten wieder füreinander gewonnen werden. In der CSU wachsen jedoch die Zweifel, ob die CDU wirklich ein Interesse daran hat, um für gemeinsame Positionen zu ringen. Jeder Vorschlag aus München werde in Berlin derzeit gleich wieder weggewischt, klagen Parteistrategen.

Die Präsidentenwahl in Österreich hat die Furcht der CSU vor einem Absturz noch einmal verstärkt. Die Kandidaten der großen Koalition erlebten im Nachbarland ein Debakel, die rechtspopulistische FPÖ triumphierte. In der CSU sieht man darin bereits eine Blaupause für Deutschland. Auch hier dämmerten SPD und mehr und mehr auch die CDU (ohne CSU) der 20-Prozent-Marke entgegen, während die AfD kontinuierlich zulege, heißt es in München.

Sollte sich dieser Trend fortsetzen und die CDU ihr konservatives Profil nicht schärfen, werde die absolute Mehrheit der CSU in Bayern 2018 keinesfalls zu halten sein, sagt ein Vorstandsmitglied. Und dagegen wird die CSU mit aller Macht ankämpfen - auch gegen die CDU.

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