Bayrischzell:Wer hat Angst vorm bösen Wolf?

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Der Wolf ist zurück in Bayern, und schon wird über den Umgang mit dem Raubtier gestritten. Die Bauern hoffen auf den Umweltminister - doch der schweigt.

Christian Sebald

Nun also soll ein Schäfer her. Und mindestens ein Herdenschutzhund, der die Schafe vor dem Wolf beschützt, wenn sie im nächsten Sommer auf die Almen im Rotwandgebiet getrieben werden. Die Nächte sollen die Schafe dann in einem stabilen Pferch verbringen, damit sie auch wirklich sicher sind vor dem Raubtier.

Ein Blick, der vielen Menschen Angst macht. Nun ist ein Wolf auch im bayerischen Rotwandgebiet unterwegs. (Foto: Reuters)

"Das ist zwar der Wahnsinn, allein schon weil so ein Herdenschutzprojekt den Steuerzahler 75000 Euro kostet - und zwar nur für die 120 Schafe, die im Rotwandgebiet weiden", sagt die Bauersfrau Brigitta R. "Aber offenbar geht's nicht anders. Solange der Wolf da ist, können wir unsere Schafe nicht ohne Schutz auf die Almen lassen. Und auf die Alm müssen sie ja." Brigitte R. weiß, wovon sie spricht. Im August hat der Wolf sechs Schafe aus ihrer Herde gerissen.

Elf Monate ist es her, dass der junge Wolf aus Italien in die Region zwischen Wendelstein und Rotwand zugewandert ist. Und seit elf Monaten sind Bauersleute und Jäger, aber auch Kommunalpolitiker im Oberland in Aufruhr.

Denn es hat sich bewahrheitet, was Fachleute wie Wolfsexperte Ulrich Wotschikowsky schon vor dem Auftauchen des Braunbären Bruno vor viereinhalb Jahren im Freistaat gebetsmühlenartig wiederholten: Die bayerischen Berge sind ein hervorragender Lebensraum für Raubtiere. Und da sich überall in Europa die Populationen von Bär, Wolf und Luchs weiter vermehren, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie auch wieder nach Bayern zuwandern und sich hier niederlassen.

Dem Bayrischzeller Wolf jedenfalls gefällt es im Rotwandgebiet so gut, dass er die Region nicht mehr verlassen hat. Zwar scheint er oft wochenlang wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Doch dann schlägt er wieder zu. Zuletzt brach er bei Brannenburg in eine Schafherde ein. Insgesamt sind es um die 20 Schafe, die sich der Wolf schon geholt hat. Dazu gewiss eine Menge Hirsche und Rehe.

Die Almbauern sagen, dass er mit seinen Attacken auch schon ganze Rinderherden in Panik versetzt habe. "Anders sind die auffällig vielen Abstürze von Jungrindern in diesem Sommer nicht erklärbar", sagt der Almbauer Stefan Kloo. "Auch wenn das die Fachleute im Landesamt für Umwelt und im Umweltministerium bestreiten. Die interessieren sich einfach nicht für unsere Sorgen und Nöte. Die wollen offenbar nur, dass sich der Wolf wieder ansiedelt."

Kritik an den Naturschutzbehörden

Bauer Kloo ist nicht der Einzige im Oberland, der so denkt. Und es sind nicht nur die Bauern, die den Wolf nicht wollen. Auch wenn er zu den am strengsten geschützten Tierarten gehört und die Staatsregierung naturschutzrechtlich gezwungen ist, alles zu tun, damit er auch in Bayern wieder heimisch wird.

Aber so wie die Bauern davon überzeugt sind, dass im Rotwandgebiet kein Platz für Raubtiere ist, sind es auch die Jäger, die Lokalpolitiker, die Touristiker und viele andere. Die einen sorgen sich um die Rehe und Hirsche, für die anderen ist in der Region einfach viel zu viel los, als dass es ein konfliktfreies Miteinander geben könnte. "Jedes Wochenende kommen Tausende Ausflügler, Bergsteiger und Freizeitsportler zu uns, sommers wie winters", sagt einer, "da kann mir keiner erzählen, dass hier auch noch rudelweise Wölfe leben können ohne Probleme."

In ihrer Not haben die Almbauern und der Bayerischzeller Bürgermeister, Helmut Limbrunner, sogar schon an Umweltminister Markus Söder geschrieben. Er ist kraft Amtes Bayerns oberster Artenschützer und rühmt ansonsten bei jeder Gelegenheit Bayerns Verdienste um den Naturschutz.

Was den Wolf anbelangt, da hält sich Söder aber sehr bedeckt. Nicht nur, dass er bisher weder den Almbauern noch dem Bürgermeister geantwortet hat. Nicht einmal den bei Briefen an Minister üblichen Vierzeiler, dass das Schreiben eingetroffen und an die zuständigen Fachstellen weitergereicht worden sei, habe ihnen Söder übermitteln lassen, klagen Limbrunner und die Almbauern. Dabei ist es nun schon beinahe drei Monate her, dass sie ihre Briefe abgeschickt haben.

Wenig verwunderlich also, dass es auch in der Expertengruppe kracht, die Konzepte für den Umgang mit Bär, Wolf und Luchs erarbeiten soll. Der Almbauer Kloo hat sich zumindest vorerst aus ihr zurückgezogen. Aber auch Artenschützer wie Peter Blanché von der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe lassen ihrem Ärger freien Lauf. "Wir treffen uns jetzt schon seit vier Jahren, vor drei Jahren haben wir einen Wolfsplan erarbeitet für den Ernstfall", sagt der Tierarzt. "Aber seither haben es die Naturschutzbehörden ganz offenkundig versäumt, offensiv auf die Einheimischen zuzugehen und sie im direkten Dialog darauf vorzubereiten, dass Wölfe in ihre Region zuwandern werden."

© SZ vom 10.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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