Bayreuth:Das Gegenteil von Grals-Gedöns

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Sven Friedrich, Direktor des Wagner-Museums, zieht eine launige Zwischenbilanz: Es kommen zwar zu wenig Besucher. Aber vielleicht hilft ja ein Transrapid?

Von Olaf Przybilla, Bayreuth

Vermutlich ist es möglich, mit Sven Friedrich ein ironiefreies Gespräch führen zu wollen. Aber sinnlos ist es vermutlich auch. Erster Versuch einer Frage: Es habe da vor der Eröffnung des neuen Richard-Wagner-Museums ja gewisse Irritationen in Bayreuth gegeben. Antwort von Sven Friedrich: "Irritationen? Was? Habe ich gar nichts mitbekommen davon."

Gut, damit ist das Thema jetzt nicht umfassend abgehandelt. Aber vielleicht muss es das auch gar nicht: Natürlich gab es Irritationen, alles dauerte länger als erhofft, das Wagner-Jubiläum 2013 verstrich, ohne dass sich in der Villa Wahnfried Entscheidendes getan hätte, die maximale Peinlichkeit, und natürlich gab es Zoff zwischen allen, die irgendwas zu sagen haben auf dem ebenso geheiligten wie verminten Bayreuther Boden. Und natürlich waren alle nicht schuld daran, beziehungsweise immer diejenigen schuldig, die zufällig gerade nicht mit am Tisch saßen. Die Frage ist nur: Ist es eine Nachricht, dass es Ärger im Wagnerland gab und gibt? Oder wäre es nicht vielmehr eine Eilmeldung wert, wenn da mal alles rund liefe oder gelaufen wäre?

Wagner, Wagner, wohin das Auge reicht: nur Wagner. Bayreuth hat ein neues, optisch reizvolles Museum. (Foto: Olaf Przybilla)

Friedrich ist der Museumsdirektor. Wenn es jemanden gibt, der die Sonderzone Bayreuth verkörpert, dann er. Den Direktor eines weltweit in Rede stehenden Museums würden sich Bayreuth-Ungeübte mutmaßlich anders vorstellen, mindestens weniger auskunftsbereit. Bei Friedrich braucht es zum Beispiel keinen Termin, wittert das Personal einen Journalisten, wird der Direktor informiert, der richtet dann schon was ein. Welches Thema? Wie wäre es mit 20 Monate Wagner-Museum, eine Bilanz? Friedrich findet das spontan gut. Allerdings unter der Voraussetzung, dass die erste Frage nicht laute: "Wie entwickeln sich die Besucherzahlen im Museum?" Weil, sagt er, "da hab' ich dann schon schlechte Laune". Warum? "Das ist ein Fetisch! Wenn es nur nach Quantität ginge, dann wäre die Bild der Gipfel des deutschen Journalismus. Ist sie das?"

Die Villa Wahnfried. (Foto: Olaf Przybilla)

Einverstanden, dann zuerst zu den Irritationen vor der Eröffnung. Das ist relativ rasch abgehandelt, anschließend referiert Friedrich etwa 20 Minuten lang über die Besucherzahlen in der im Juli 2015 wiedereröffneten Villa samt schickem Neubau. Es ist so: Im ersten halben Jahr wurde das Haus förmlich gestürmt, sagt der Direktor, "das ist aber überall so". Im ersten vollständigen Jahr, 2016 also, kamen 40 000 Besucher. Oh. "Ja genau", sagt Friedrich, "das ist natürlich zu wenig." In Berlin oder München, ist er sich sicher, würden zehnmal so viele Besucher in so ein Museum kommen. "Aber das ist hier, so weit das zu überblicken ist, nicht München oder Berlin."

Wie eine Zahnarztpraxis sieht der Neubau des Richard Wagner Museums aus, findet ein namhafter Dirigent. Direktor Sven Friedrich findet das gar nicht. (Foto: Olaf Przybilla)

Es gebe Tage im Winter, da sei man schon mit einem Dutzend Besuchern zufrieden. Ein Blick in die Räume, es ist ein Werktag im Winter, bestätigt das, die Leere ist leicht beklemmend. Im Sommer wird das Museum dann genauso gestürmt wie der Hügel, aber eben immer nur fünf Wochen lang. So ist Bayreuth, das ist der Rhythmus der Stadt. Lösungsmöglichkeiten? "Wir brauchen einen Transrapid vom Hauptbahnhof über Opernhaus und Villa Wahnfried zum Festspielhaus", antwortet Friedrich, "dann steigen Sie im Bahnhof quasi in die Villa Wahnfried ein. In zehn Minuten." Problem an dieser mutmaßlich nicht vollständig ernst gemeinten Lösung: Bayreuth ist nicht ans ICE-Netz der Deutschen Bahn angeschlossen. Schwierig.

Im Übrigen, das wäre Friedrich schon wichtig, sind diejenigen, die kommen, in der Regel angetan: ein Haus ohne Wagner-Gewummer, das Gegenteil von Grals-Gedöns. Ein Blick ins Zeitungsarchiv bestätigt auch das: Selbst Bayreuth nicht ausschließlich gewogene Medien zollten der Neukonzeption Respekt. Einer jedoch fand's zu schnöde: Dirigent Christian Thielemann fragte Friedrich kurz vor der Eröffnung, ob das nicht zu sehr nach Zahnarztpraxis aussehe, ob da nicht zu wenig Pathos im Spiel sei. Der antwortete: "Hallo? Dafür sind doch Sie zuständig." Und schob nach der Thielemann-Premiere am Hügel ein "leider gut" per SMS nach. Vermutlich, wer weiß das schon, leicht ironisch.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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