Bayerns Ministerpräsident in Tschechien:Seehofer beendet die Eiszeit

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Der Ministerpräsident schlägt bei seinem historischen Besuch in Prag "ein neues Kapitel" in den Beziehungen zwischen Bayern und Tschechen auf. Ein heikles Thema wird beim Treffen Horst Seehofers mit Premier Petr Necas aber ausgeklammert.

Klaus Brill, Prag

Bayern und Tschechien wollen künftig auf allen Gebieten enger zusammenarbeiten und sich dabei nicht vom Streit um die Vergangenheit behindern lassen. Bei seinem historischen Besuch in Prag erklärte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer am Montag nach einem Treffen mit dem tschechischen Premier Petr Necas: "Wir sind uns einig, dass wir gemeinsam den Blick nach vorne in die Zukunft richten wollen."

Tschechiens Premier Petr Necas (links) und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer bei ihrem Treffen in Prag: "Wir sind uns einig, dass wir gemeinsam den Blick nach vorne in die Zukunft richten wollen." (Foto: dpa)

Beiden Seiten sei bewusst, dass man in bestimmten Fragen unterschiedlicher Auffassung sei, sagte Seehofer in Anspielung auf die Bewertung der Nazi-Zeit und der Vertreibung der drei Millionen Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nach dem Krieg. Man wolle aber "ein neues Kapitel in unseren Beziehungen aufschlagen, und dafür haben wir heute den ersten Schritt getan".

Necas wies auf den starken Handelsaustausch zwischen Bayern und Tschechien hin und betonte ebenfalls den Willen, "unsere Zusammenarbeit auf die Zukunft hin zu orientieren". Die Dekrete des früheren tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Benes, mit denen 1945 die Vertreibung der Sudetendeutschen legitimiert worden war, wurden in der gemeinsamen Pressekonferenz nicht erwähnt. Seehofer sagte aber mit Blick auf diese Thematik: "Wir haben uns ehrlich ausgetauscht."

Hauptsächlich ging es in den Erklärungen der beiden Regierungschefs um konkrete Maßnahmen der Zusammenarbeit. Beispielsweise griff Seehofer die tschechischen Beschwerden über die Schleierfahndung und die starken Autofahrerkontrollen im bayerischen Grenzraum auf und kündigte an, man wolle mehr Transparenz schaffen, beispielsweise durch gemeinsame bayerisch-tschechische Patrouillen. Necas seinerseits sicherte den Bayern zu, in Bezug auf das Atomkraftwerk Temelin bei Budweis alle verfügbaren Informationen weiterzugeben.

In einem gemeinsamen Kommuniqué, das Seehofer und Necas unterzeichneten, wird das "vitale Interesse" beider Seiten an einer vielseitigen Entwicklung der bayerisch-tschechischen Beziehungen betont. Im Wissen um die "herausragende außenwirtschaftliche Bedeutung für einander" wollten die beiden Länder, wie es darin heißt, "ihren einzigartigen ökonomischen Kooperationspotentialen mit ihrem staatlichen Handeln optimale Entfaltungsmöglichkeiten" schaffen.

Das betrifft an vorderster Stelle die Verbesserung der grenzüberschreitenden Straßen- und Bahnverbindungen sowie die verstärkte Zusammenarbeit in der Energiepolitik. Der Austausch über Fragen der Kernkraft, insbesondere zum geplanten Ausbau des Atomkraftwerks Temelin, solle intensiviert werden.

Als weitere Felder einer engeren Kooperation werden die Wirtschaft, die Berufsbildung, die Forschung, die innere Sicherheit, die Justiz und der Katastrophenschutz benannt. Auch in der Kultur und beim Denkmalschutz sowie beim Schutz von Natur und Umwelt, etwa in den Nationalparks Böhmerwald und Bayerischer Wald, unterstützten Tschechien und Bayern vielfältige Maßnahmen, die "ihrem Miteinander" dienten.

Die Gräuel der Nazi-Zeit und die Vertreibung der Sudetendeutschen werden in der gemeinsamen Erklärung nicht erwähnt. Allerdings heißt es, man wolle Angebote unterstützen, die das Wissen über die gemeinsame Geschichte vertieften, zum Beispiel durch regelmäßige Treffen von bayerischen und tschechischen Geschichtslehrern. Außerdem solle durch schulische und andere Bildungsangebote das Erlernen der jeweiligen Nachbarsprache gefördert werden.

An dem Treffen Seehofers mit Necas nahm die Reisedelegation des bayerischen Ministerpräsidenten, zu der auch Bernd Posselt als Volksgruppensprecher der Sudetendeutschen gehört, nicht teil. Allerdings war Posselt anschließend in vorderster Reihe dabei, als Seehofer den Veitsdom besichtigte. Zu seiner Begleitung gehörten auch die bayerische Europaministerin Emilia Müller, der Unternehmer Randolf Rodenstock als Repräsentant der bayerischen Wirtschaft sowie je ein Vertreter der katholischen Kirche und der jüdischen Gemeinden in Bayern.

Am Mittag ist eine Begegnung mit deutschen Unternehmern geplant, die in Tschechien tätig sind. Außerdem stehen Besuche beim katholischen Erzbischof Dominik Duka sowie bei der Jüdischen Gemeinde und im Prager Büro der Sudetendeutschen Landsmannschaft auf dem Programm.

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