Bamberg:Deutlich mehr Kinder missbraucht

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Angehender Erzieher gesteht zusätzliche Fälle sexueller Gewalt

Von Olaf Przybilla, Bamberg

In Gerichtsprozessen sind Berichterstatter gehalten, sich auf das zu konzentrieren, was im Saal besprochen wird; und also Äußerungen etwa auf den Gerichtsgängen nicht über Gebühr Beachtung zu schenken. Schon insofern muss das Bamberger Verfahren, in dem es um sexuellen Missbrauch von mehreren Kindergartenkindern geht, als eine Ausnahme gelten. Beim ersten Verhandlungstag, Mitte Juni, sollte dort die Anklage gegen einen 19-Jährigen aus dem Landkreis Bamberg verlesen werden. Die Staatsanwaltschaft legte ihm in der Anklageschrift zu Last, er habe als Erzieher in Ausbildung in einer Einrichtung im oberfränkischen Bischberg neun Kinder in insgesamt zehn Fällen sexuell missbraucht. Bereits vor Beginn des ersten Verhandlungstages waren jedoch auf den Gängen des Bamberger Landgerichts die Zweifel von Eltern zu hören, die in Frage stellten, ob in der Anklageschrift tatsächlich alle in Betracht kommenden Missbrauchsfälle enthalten sind. Diese Zweifel waren offenbar berechtigt: Noch bevor die Anklageschrift verlesen wurde, bot der 19-Jährige an, sich zu weiteren Fällen zu äußern. Der Prozess wurde daraufhin unterbrochen, die Staatsanwaltschaft kündigte weitere Ermittlungen an.

Am zweiten Verhandlungstag ist die Anklage nun deutlich erweitert worden. Angeklagt sind nicht mehr zehn Fälle, sondern insgesamt 16 Fälle des sexuellen Missbrauchs. Was mindestens ebenso schwer wiegt: In der ursprünglichen Anklageschrift waren dem ehemaligen Auszubildenden lediglich zwei Fälle von schwerem sexuellen Missbrauch vorgeworfen worden. Nun sind es sieben. Noch während des ersten Verhandlungstages hatte die Kammer entschieden, die Öffentlichkeit von der Verhandlung auszuschließen. Die "unreife Persönlichkeit" des Angeklagten sei der eines Jugendlichen gleichzustellen; da die Vorwürfe dessen Intimsphäre beträfen, seien andernfalls Nachteile im "sozialen und beruflichen Bereich" zu befürchten. Über den Prozessverlauf informiert deshalb ein Gerichtssprecher. Ihm zufolge hat der 19-Jährige die meisten der nun angeklagten Missbrauchsfälle eingeräumt; vier Fälle bestreite er. Weniger schwerwiegende Details, etwa einen Kuss, streite er ab. Drastischere Vorwürfe dagegen räume er ein. Auch den Besitz kinderpornografischer Bilddateien habe er zugegeben.

Der Angeklagte war von Oktober 2016 bis August 2017 als Bundesfreiwilliger in dem Kindergarten der Arbeiterwohlfahrt in Bischberg beschäftigt. Im September 2017 wurde er als Auszubildender übernommen, bereits in den ersten Tagen der Übernahme soll es zu den sexuellen Übergriffen auf die vier bis sechs Jahre alten Mädchen gekommen sein. Die Vorwürfe hatten in dem Ort im Landkreis Bamberg Bestürzung ausgelöst; diese ist auch auf den Gerichtsgängen spürbar. "Wenn ich meine Kinder ansehe, fang ich an zu weinen", sagte eine Mutter vor Prozessbeginn: "Man gibt sein Kind doch in so eine Einrichtung, um es zu beschützen - und nicht, um es so etwas auszusetzen." Eltern schilderten, sie hätten auch privaten Kontakt zu dem nun Angeklagten gepflegt, unter anderem über Facebook. Der 19-Jährige, vor Gericht in grün-weiß gestreiftem Kapuzenshirt erschienen, sei "eigentlich ein lieber, netter Mensch". Je nachdem, ob er nach Jugend- oder Erwachsenen-Strafrecht beurteilt wird, erwarten ihn nun zwischen vier und sechs Jahren Haft.

© SZ vom 26.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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