Bamberger Arzt unter Missbrauchsverdacht:Polizei stellt "Unmengen" an Fotos sicher

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Er galt als fachlich angesehen und unbescholten: Ein Bamberger Arzt soll bei einem erfundenen Forschungsprojekt mehrere Frauen betäubt haben, um sie dann sexuell zu missbrauchen. Bei einer Hausdurchsuchung findet die Polizei belastende Fotos.

  • Ein leitender Bamberger Klinik-Arzt soll mehrere Frauen betäubt haben, um sie dann sexuell zu missbrauchen. Gegen ihn ist Haftbefehl erlassen worden.
  • Eine Medizinstudentin, die als Praktikantin in dem Krankenhaus beschäftigt war, hatte ihn angezeigt. Sie soll eines seiner Opfer sein.
  • Inzwischen hat sich der Arzt vor dem Ermittlungsrichter zu den Vorwürfen geäußert.

Polizei findet zahlreiche Foto-Beweise

Er soll seine Opfer narkotisiert haben, um sie dann sexuell zu missbrauchen: Gegen einen leitenden Arzt des Bamberger Klinikums ist Haftbefehl erlassen worden. Eine 26-jährige Medizinstudentin, die als Praktikantin in dem Krankenhaus tätig war, hatte Ende Juli Strafanzeige gegen den Mediziner erstattet. Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft nahmen daraufhin umgehend die Ermittlungen auf und durchsuchten den Arbeitsplatz und die Wohnung des Mannes.

Wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilten, fanden die Ermittler bei dem 48-Jährigen zahlreiche Beweise. Der Mann habe Fotos von seinen Taten gemacht. Die Polizei vermutet, dass der Arzt sich noch an weiteren, bisher unbekannten Frauen vergriffen hat. Bisher wissen die Ermittler außerdem von drei anderen Opfern. Dem Arzt werden Körperverletzung, sexueller Missbrauch und Vergewaltigung vorgeworfen.

Blutuntersuchung bestätigt Betäubung

Nach der Anzeige der Medizinstudentin bestätigten erste Ermittlungen den Verdacht einer gefährlichen Körperverletzung, heißt es in einer Mitteilung der Polizei. Demnach hatte die 26-jährige Anzeigeerstatterin auf Veranlassung des Bamberger Arztes freiwillig an einer Untersuchung im Rahmen eines vermeintlichen Forschungsprojektes teilgenommen.

Die Studentin habe in dem Krankenhaus ein Praktikum im Rahmen ihres Studiums gemacht, sagte Xaver Frauenknecht, Vorstandschef der Sozialstiftung Bamberg, zu der das Klinikum gehört. Dabei nahm sie an einer angeblichen Studie des 48-Jährigen teil. "Diese Studie hat es nie gegeben", sagte Frauenknecht am Donnerstag. Sie war nur ein Vorwand.

Wie die Studentin von ihrem Missbrauch erfuhr

Während dieser angeblichen ärztlichen Untersuchung soll ihr der Mediziner, ohne ihr Wissen und ohne vorherige Aufklärung, eine Substanz verabreicht haben, die zur zeitweisen Bewusstlosigkeit seiner Probandin geführt haben soll. Dies bestätigte auch eine Blutuntersuchung, die die Studentin in einem anderen Krankenhaus durchführen ließ.

Die Dosierung sei zudem außergewöhnlich hoch gewesen, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Bardo Backert. Da die Frau die Spritze gegen ihren Willen bekam, sei dies eine Körperverletzung. Wegen der Betäubung zeigte die Frau den Arzt bei der Polizei an. Von dem Missbrauch habe sie erst durch die Ermittlungen erfahren, da sie währenddessen bewusstlos war. Eine Untersuchung, wie der Mediziner sie ihr vorgemacht habe, habe es definitiv nicht gegeben, sagte Backert.

Hotline für Betroffene

Die Klinik geht nach Angaben einer Sprecherin davon aus, dass keine Patientinnen betroffen sind, sondern Frauen, die sich freiwillig an der angeblichen Studie beteiligt hatten. Auf den sichergestellten Bildern seien die Frauen zum Teil zu erkennen, sagte Backert. Die "Unmengen" an Fotos müssten nun sortiert und ausgewertet werden.

"Wir werden einige Zeit brauchen, um die Geschädigten zu identifizieren und die Umstände der Taten zu erhellen", sagte der Staatsanwalt. Das Problem bei den Ermittlungen sei, dass die Taten äußerst schambesetzt seien. "Wir müssen hier sehr sensibel vorgehen und die Frauen bewegen, sich bei uns zu melden."

Ob sich der Arzt schon zu den Vorwürfen geäußert hat, konnte Backert nicht sagen. Das Klinikum habe vor den Ermittlungen keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Mannes gehabt, berichtete der Fränkische Tag im Internet. Inzwischen sei der leitende Arzt freigestellt worden. Die Klinikleitung pocht demnach auf das Verschulden eines Einzelnen. Über eine Hotline sollen Betroffene sich informieren können.

Warum die Untersuchungsreihe die Klinik vor Rätsel stellt

Der Beschuldigte sei ein leitender Arzt der Klinik für Gefäßchirurgie, sagte der Vorstandschef der Sozialstiftung Bamberg, Xaver Frauenknecht. Der Mediziner sei national und international anerkannt und seit dem Jahr 2005 in der Klinik beschäftigt, seit 2007 in leitender Funktion. Die mutmaßlichen Übergriffe haben sich laut Frauenknecht außerhalb der normalen Arbeitszeit zugetragen. Sonst wäre der Arzt während der Behandlung auch nicht allein mit den Probanden im Zimmer gewesen.

Die Untersuchungsreihe, um die es angeblich ging, stellt die Klinik vor Rätsel. "Die Studie ist uns bis jetzt nicht bekannt", erklärte der Vorstandsvorsitzende. Sie sei nach bisherigen Recherchen nicht offiziell registriert worden. Nach den ersten Erkenntnissen kann es sein, dass der Mann seine Opfer im Kreis der Kolleginnen des Klinikums fand.

Der verdächtigte Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie sitzt in Untersuchungshaft und hat sich vor dem Ermittlungsrichter inzwischen zu den Vorwürfen geäußert. Zum Inhalt der Aussage wollte Oberstaatsanwalt Backert am Donnerstag jedoch nichts mitteilen.

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