Ausgrabungen in Regensburg:Brotzeit anno 1750

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Schon vor 250 Jahren haben die Bayern eine Brotzeit aus Semmeln und Brezen genossen. Ein Museumsmitarbeiter präsentiert die Reste der historischen Backwaren (in weißem Schaumstoff umrahmt). (Foto: dpa)
  • Bei Ausgrabungen am Regensburger Donaumarkt haben Archäologen Backwaren aus dem 18. Jahrhundert gefunden.
  • Darunter befindet sich auch die "garantiert älteste physische Breze".

Von Wolfgang Wittl, Regensburg

Drei Stück Grillkohle, zwei Würstchen, die durch den Rost gefallen und nie aus der Glut geholt worden sind, ein undefinierbares schwarzes Etwas, das angeknabbert wirkt: So sieht die archäologische Sensation also aus, die am Mittwoch in Regensburg der Öffentlichkeit präsentiert wird. Mit den Resten eines Gartenfests haben die historischen Funde jedoch nichts zu tun, sehr wohl aber mit Essen.

Zur "archäologischen Brotzeit" hat das Landesamt für Denkmalpflege voller Stolz eingeladen. Man muss allerdings schon sehr genau hinschauen, um die verkohlten Gebäckstücke als das zu erkennen, was sie einmal waren: drei Semmeln, die Teile zweier Brezen sowie ein Kipferl. Entdeckt wurden sie bei Ausgrabungen auf dem Regensburger Donaumarkt, wo in drei Jahren das Museum der Bayerischen Geschichte eröffnet werden soll. Nicht nur unter wissenschaftlichen Maßstäben sind die Relikte spektakulär: Es handele sich "garantiert um die älteste physische Breze", die jemals gefunden worden sei, sagt Denkmalpflegerin Silvia Codreanu-Windauer. Untersuchungen mit der Radiokarbonmethode haben ergeben, dass die Backwaren aus dem 18. Jahrhundert stammen.

Eine verkohlte Semmel (Foto: dpa)

Fund beruht auf Malheur eines Bäckers

Keramikarbeiten und Knochen, Metallgegenstände und Glas - damit sind Archäologen auf ihrer Suche nach der Vergangenheit vertraut. Organisches Material wie in diesem Fall hingegen löst bei ihnen besondere Glücksgefühle aus. Zu verdanken hat die Nachwelt diesen Schatz vermutlich dem Malheur eines Bäckermeisters. Sie könne sich gut vorstellen, wie sich die Sache damals zugetragen habe, sagt die Historikerin Codreanu-Windauer: wie dem Bäcker eine Ofenladung mit Waren verbrannt sei und er sie wütend weggeworfen habe. Nur deshalb konnten sie überdauern.

Dass es sich um handwerkliches Missgeschick und nicht etwa um eine Feuerkatastrophe handelte, gilt aufgrund weiterer Forschungen als sehr wahrscheinlich. Gefunden wurden die verkohlten Semmeln und Brezen auf einem Grundstück am früheren Hunnenplatz 3 - in der Nähe einer Mauer im Hinterhof eines riesigen Anwesens. Eine Kuhle im Boden diente offenbar als Ort, um Abfälle zu entsorgen.

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In dem Haus befand sich über Generationen hinweg eine Bäckerei. Das wisse man aus sogenannten Siegelprotokollen, in denen Einträge über frühere Besitzer enthalten sind, wie der Regensburger Stadtarchäologe Lutz Dallmeier erklärte. Sie belegen auch, dass 1753 ein gewisser Johann Georg Held die Bäckerei übernommen hat. Nach ihm ist wohl auch das "Heldengässchen" benannt, das hier vorbeiführte. Womöglich war Held es auch, der die Semmeln und Brezen zu lange im Ofen gelassen hatte. Bei ihren Nachforschungen sind die Historiker auf Archivmaterial angewiesen: Das Gebäude, das seit romanischer Zeit bestand, wurde 1964 wie der Großteil des Viertels abgerissen. Die Bäckertradition in dem Haus ging bereits 1881 zu Ende.

Bayerische Brotzeit aus dem 18. Jahrhundert

Über den Geschmack der Backwaren lässt sich wenig sagen: Hauptzutat war vermutlich weißes Mehl, über alles weitere könne man nur spekulieren. Wie in alten Handwerkszünften üblich, dürfte das Wissen mündlich von Generation zu Generation weitergegeben worden sein. Rezepte suchten die Historiker jedenfalls vergeblich. Unbekannt sei auch, welche weiteren Bestandteile zu einer typisch bayerischen Brotzeit im 18. Jahrhundert gehörten. Mitunter stößt die Wissenschaft eben an ihre Grenzen: "Den Leberkäse hätte bestimmt der Hund des Bäckers gefressen", scherzte Codreanu-Windauer.

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Gesichert ist die Erkenntnis, dass die Breze damals zu den feineren Lebensmittel zählte, als Fastenspeise war sie etwas Besonderes. Dass sie mit Lauge bestrichen war, ist nicht anzunehmen - zumindest wenn die Legende vom Münchner Bäcker Anton Nepomuk Pfannenbrenner stimmt: Der soll die Breze in ihrer heutigen Form erfunden haben, weil er sie statt mit Zuckerwasser versehentlich mit Natronlauge beträufelte. Allerdings erst anno 1839 und damit ein paar Jahrzehnte nach dem Regensburger Fundstück. Auch Debatten über Aluminiumrückstände in Brezen dürften damals noch unbekannt gewesen sein.

Aus historischer Sicht haben sich die Grabungen am Donaumarkt gelohnt. Vor den Backwaren hatten Forscher bereits eine Hinrichtungsstätte aus dem Mittelalter sowie einen etwa 1000 Jahre alten hölzernen Bohlenweg entdeckt. 2018, zum 100-jährigen Bestehen des Freistaats, soll das Museum der Bayerischen Geschichte öffnen, in etwa drei Monaten ist Grundsteinlegung. Die Semmeln, Brezen und Kipferl jedoch werden bis auf weiteres im Historischen Museum der Stadt zu sehen sein. Wer die Gegenwart verstehen wolle, müsse aus der Vergangenheit lernen, sagte Oberbürgermeister Joachim Wolbergs. Und sei es nur, dass auch kleines Missgeschick eines Tages von großem Nutzen sein kann.

© SZ vom 12.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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