Augsburg:Es lebe der Frieden

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Die Stadt feiert auf dem Rathausplatz ihren einzigartigen Feiertag, der seit 1650 an die wiedererlangte Religionsfreiheit der evangelischen Bevölkerung erinnert

Von Christian Rost, Augsburg

Es war an diesem Dienstag in Augsburg viel die Rede von Toleranz, einem friedlichen Miteinander und der Bereitschaft zur Versöhnung. Wie so ein friedliches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Glaubens im Idealfall aussieht, konnte man auf dem Rathausplatz sehen. Hunderte Menschen kamen unter weißen Sonnenschirmen an der Friedenstafel zusammen, um gemeinsam zu essen und vor allem ein Zeichen zu setzen: für den Frieden. Vor dieser Kulisse konnte ein Häuflein rechter Aktivisten nicht punkten, die am Sockel des Perlachturmes ein Transparent mit einer ausländerfeindlichen Parole angebracht hatten. Die Polizei entfernte das Laken.

Augsburg feiert alljährlich am 8. August sein Hohes Friedensfest, das nur innerhalb der Stadtgrenze ein gesetzlicher Feiertag ist und seit 1650 an das Ende der Unterdrückung der Protestanten während des Dreißigjährigen Krieges erinnert. Alle drei Jahre vergeben die Stadt und die evangelische Kirche an diesem Feiertag einen mit 12 500 Euro dotierten Preis "für besondere Leistungen zur Förderung interkonfessioneller Gemeinsamkeiten". In diesem Jahr erhält der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Pfarrer Martin Junge, den Augsburger Friedenspreis. Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) lobte den 56-jährigen Theologen als "geduldigen Brückenbauer zwischen den Kontinenten". Junge, der verheiratet ist und zwei Söhne hat, studierte in Deutschland und arbeitete anschließend in Südamerika. Er war Pfarrer in Gemeinden in Santiago de Chile und Präsident der evangelisch-lutherischen Kirche in Chile. Seit 2010 leitet er den Lutherischen Weltbund in Genf.

Der 8. August ist in Augsburg ein Feiertag. Hunderte Menschen kamen am Rathausplatz als Höhepunkt des Hohen Friedensfestes zu einer Friedenstafel zusammen. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Der Vorsitzende der Friedenspreis-Jury, der Augsburger Regionalbischof Michael Grabow, hob in seiner Laudatio Junges "Einsatz für die Versöhnung von Konfessionen und Religionen" sowie sein "weltweites, entschiedenes Eintreten für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde" hervor. Nach Grabows Worten setze sich Martin Junge für eine stärkere Beteiligung, für mehr Partizipation von jungen Menschen und Frauen ein und werbe dafür, traditionelle patriarchale Muster zu überwinden. Auch den Versöhnungsprozess zwischen den einstigen Kontrahenten der Reformationszeit treibe der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes voran.

Grabow nannte als Beispiel die über viele Jahre hinweg geführten Gespräche mit den Mennoniten, die in der Reformationszeit auch von Lutheranern und Reformierten blutig verfolgt worden waren. Die Mennoniten hätten den Lutheranern schließlich vergeben, auch das sei ein Verdienst von Junge. Grabow hob außerdem das Engagement des Lutherischen Weltbundes, zu dem in 98 Ländern 145 Kirchen mit 75 Millionen Mitgliedern gehören, in der Flüchtlingshilfe hervor. 2,3 Millionen Flüchtlinge, vor allem in Entwicklungsländern, betreut der Weltbund. Der Preisträger selbst zeigte sich in einer ersten Reaktion "geehrt und dankbar für den Augsburger Friedenspreis" und ging auch auf die Bedeutung der Stadt ein: "Augsburg steht für die Friedensbemühungen zwischen Katholiken und Lutheranern. In diesem Geiste wollen wir unseren gemeinsamen Weg fortsetzen." Träger des Friedenspreises sind auch Prinz el Hassan bin Talal von Jordanien, Förderer des sogenannten Trialogs von Muslimen, Juden und Christen, der ehemalige Staatschef der Sowjetunion und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow sowie der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker. In diesem Jahr war das Hohe Friedensfest dem Thema "Bekennen. Mein Name ist Mensch" gewidmet und in ein Kulturprogramm mit rund 60 Veranstaltungen eingebettet. Zum Abschluss meldeten sich auch die Vertreter des Runden Tisches der Religionsgemeinschaften in Augsburg zu Wort: Protestanten, Katholiken, Juden, Muslime, Buddhisten, Aleviten, Jesiden und Russisch-Orthodoxe überbrachten den Teilnehmern der Friedenstafel am Rathausplatz Grüße.

Martin Junge, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, erhält den Augsburger Friedenspreis 2017. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Die Redner sprachen deutlich an, dass unter dem Deckmantel der Religion "Leid in die Welt" getragen werde. Natürlich sei es legitim, dass jedermann von der Wahrheit der eigenen Religion überzeugt sei, hieß es. "Die Beziehung zu Gott ist eben nicht verhandelbar." Doch in einer pluralen Welt müssten sich die Menschen die Hand reichen, sich achten und respektieren: "Ein friedliches Miteinander muss möglich sein", so lautete ihr gemeinsamer Appell.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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