Ansbach:Syrer bekommen nicht vollen Schutz

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Gericht bezweifelt, dass jedem Flüchtling daheim Verfolgung droht

Von Olaf Przybilla, Ansbach

Syrer genießen in Bayern nicht automatisch den vollen Flüchtlingsschutz. In einem für den Freistaat mutmaßlich richtungsweisenden Urteil hat die Außenstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Ansbach entschieden, dass syrischen Flüchtlingen bei einer etwaigen Rückkehr in ihre Heimat nicht schon deshalb "mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit" politische Verfolgung drohe, weil sie einen Asylantrag gestellt und sich in Deutschland aufgehalten haben. Der VGH überstimmte damit Urteile des Verwaltungsgerichts Regensburg. Dieses hatte argumentiert, es drohe in so einem Fall sehr wohl eine Verfolgung. Erstinstanzlich waren mehrere Syrer mit ihren Klagen in Regensburg deshalb erfolgreich gewesen: Sie hatten vom Verwaltungsgericht nicht nur den eingeschränkten "subsidiären Schutz" als Flüchtling eingeräumt bekommen, sondern vollen Flüchtlingsschutz.

Das Urteil dürfte weitreichende Folgen haben, ist doch der VGH nach dem Oberverwaltungsgericht Schleswig bereits das zweite deutsche Obergericht, das in diesem Sinn entschieden hat und damit der Argumentation des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) folgte. Somit scheint sich nun abzuzeichnen, dass die zweiten Instanzen die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte revidieren. Diese hatten bislang zu 90 Prozent im Sinn syrischer Flüchtlinge entschieden, die sich juristisch dagegen gewehrt hatten, lediglich den eingeschränkten Schutz zugestanden zu bekommen. Bis Oktober waren im Bundesgebiet mehr als 32 000 Klagen wegen des eingeschränkten Schutzes anhängig. Ein rein subsidiärer Schutz bedeutet unter anderem, dass Flüchtlinge ihre Familien erst nach zwei Jahren nach Deutschland holen dürfen und ihren Schutztitel bereits nach einem Jahr, nicht erst nach drei Jahren, verlängern lassen müssen.

Unter Berücksichtigung aller Umstände hätten die "gegen eine Verfolgungsgefahr sprechenden Gründe größeres Gewicht" als die dafür sprechenden Gründe, urteilten die Ansbacher Richter. Eine Abschiebung allerdings, das betonte der VGH, drohe auch subsidiär geschützten Flüchtlingen nicht. Eine Revision gegen die Urteile ließ das Gericht nicht zu. Betroffene Flüchtlinge können gegen die Nichtzulassung einer Revision allerdings noch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.

Nachdem das Bamf gegen die Urteile des Regensburger Verwaltungsgerichts Berufung eingelegt hatte, war vor einer Woche als erste Syrerin die 29 Jahre alte Alaa A. von den Ansbacher Richtern angehört worden. Mehr als 540 ähnlich gelagerte Fälle sind derzeit am VGH anhängig. Die 29-Jährige stammt aus der Nähe von Damaskus, im März hatte sie einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Ein Vertreter des Bamf argumentierte vor Gericht, es bestehe bei einer Rückkehr von A. keine erhöhte "Verfolgungsgefahr", zumal sie über gültige Ausweispapiere verfüge und Syrien legal verlassen habe. Der Anwalt von A. wies dies zurück, das Bamf operiere mit "Vermutungen". Es gebe nicht genügend empirische Daten, um ausschließen zu können, dass Flüchtlinge in Syrien verfolgt würden, eben weil sie aus ihrem Land geflohen seien. Auch dokumentierten internationale Quellen Festnahmen und Folter von Syrien-Heimkehrern. Dieser Argumentation folgte das Gericht nun offenbar nicht.

Im Fall eines Reservisten der syrischen Armee entschieden die Ansbacher Richter dagegen zugunsten des Flüchtlings. Er hatte Syrien 2015 aus Angst vor der Einberufung verlassen. Bei einer Rückkehr drohten ihm "wegen unterstellten illoyalen Verhaltens" Inhaftierung und Folter, urteilte der VGH. Dem Reservisten muss daher der volle, nicht lediglich subsidiäre Schutz zugestanden werden.

© SZ vom 14.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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