Alkoholverbot am Hauptbahnhof Nürnberg:Polizei legt Szene-Treff trocken

Immer mehr Reisende fühlten sich durch feiernde Jugendliche am Nürnberger Hauptbahnhof gestört - nun hat die Bahn Konsequenzen gezogen: Seit Freitagabend ist Alkohol dort tabu. Das Partyvolk nahm das Alkoholverbot in der ersten Nacht gelassen hin - "vorgeglüht" wird jetzt auf dem Bahnhofsvorplatz.

Alkoholverbot im Nürnberger Hauptbahnhof

Alkoholverbot im Nürnberger Hauptbahnhof: Biertrinken ist hier künftig verboten.

(Foto: dpa)

Die Kassen der drei Bahnhofs-Supermärkte klingeln wie eh je. Das Geschäft mit Hochprozentigem brummt - nur dass dieses Mal Bier, Sekt, Wodka und Whiskey nicht gleich an Ort und Stelle heruntergespült werden. Für das sogenannte Vorglühen - die alkoholhaltige Einstimmung auf eine lange Partynacht - müssen sich die Nachtschwärmer in Nürnberg an diesem Freitagabend erstmals eine andere Location suchen. Denn seit dem Wochenende besteht im gesamten Nürnberger Hauptbahnhof ein Alkoholverbot - ein paar Bahnhofsgaststätten ausgenommen.

Die Ernsthaftigkeit des Verbots unterstrichen patrouillierende Sicherheitskräfte der Bahn, die Jugendliche beim Schluck aus der Bierpulle höflich zurechtwiesen. Bundespolizisten standen bereit, verhängte Hausverbote notfalls auch mit Polizeigewalt durchzusetzen.

Doch die Einsatzkräfte erleben eine ruhige Nacht. Als gegen 20.00 Uhr die ersten Nachtschwärmer eintreffen, hat sich anscheinend längst über Facebook und Twitter herumgesprochen, dass an dem beliebten Szene-Treff Alkohol nun tabu ist. Die meisten decken sich zwar wie jeden Freitagabend in den Bahnhofsläden mit Hochprozentigem für die Nacht ein, lassen ihre Einkäufe aber in Plastiktüten und suchen sich woanders einen Platz zum "Vorglühen".

Weit müssen sie dazu nicht gehen. Im Laufe des Abends tummeln sich immer mehr junge Männer und Frauen auf dem Bahnhofsvorplatz - dort, wo das Verbot ins Leere geht. Ungeniert schwenken sie ihre geöffneten Bierflaschen, mischen Wodka in Fruchtsäfte - und geraten langsam in Stimmung.

Der 17 Jahre alte Joshua aus Nürnberg empfindet daher das ganze Alkoholverbot als "unheimlichen Blödsinn": "Wenn jemand unbedingt Alkohol trinken will, dann tut er das halt zwei Straßen weiter". Ein 18-Jähriger beschreibt ganz ungeniert, wie sehr das Treffen am Bahnhof für ihn mit der Zeit zum Ritual geworden ist: "Warum haben die damit ein Problem? Wir haben erst Alkohol gekauft, damit sind wir auf Gleis eins - und dann ging es los", erzählt er.

Logistische Basis für nächtliche Feiern

Ein anderer 18-Jähriger sieht das etwas anders: "Das ist ganz gut, dass da nicht mehr so viele Besoffene herumstehen, die sich nicht mehr unter Kontrolle haben und die Leute anpöbeln", meint der junge Mann aus Wendelstein (Landkreis Roth).

Dass es am Freitagabend im Bahnhof relativ ruhiggeblieben ist, hat für einen Szene-Insider der Nürnberger Sozialbehörde aber noch einen anderen Grund: "Heute Abend finden in der Gegend rund um den Bahnhof relativ wenige 16er Partys statt" - Disco-Veranstaltungen, bei den bereits 16-Jährige zugelassen sind. Die suchten nicht weniger als ältere Partygänger im Bahnhof den Kick mit Wodka und Co.

Welche Bedeutung der Hauptbahnhof inzwischen für die Partyszene der Region hat, erläutert der Chef der Nürnberger Bundespolizeidirektion, Albert Blersch, am Beispiel der Schließfächer im Tiefgeschoss. Die seien längst zu einer Art logistischer Basis für die nächtlichen Feiern geworden. Junge Frauen verwandelten sich dort - versteckt hinter den Stahlschränken - von bürgerlichen Mädchen zu Vamps in knappen Miniröcken und Glitzer-Tops.

Die Schließfächer dienten aber nicht nur als Depot für die Alltags-Klamotten, sondern auch für Schnaps und Bier. Zwischen zwei Disco-Besuchen kommen die Nachtschwärmer kurz in den Bahnhof, öffnen die Schließfächer, und versorgen sich mit Nachschub. Doch nachdem die Polizei in der Vergangenheit auch Partys mit bis zu 500 Teilnehmern in der Bahnhofs-Osthalle registriert hatte, soll künftig damit Schluss sein.

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